Eine aktuelle Studie beschreibt ein faszinierendes Beispiel für Werkzeuggebrauch bei Insekten: Schwarze Feuerameisen bauen eine Brücke aus Sand, um Zuckerlösung aus einem Gefäß zu transportieren. So senken sie ihr Risiko, bei der Nahrungsaufnahme zu ertrinken.
Als Jane Goodall erstmals Werkzeuggebrauch bei Schimpansen beschrieb, war das eine Sensation. Schließlich galt diese Fähigkeit bis dahin als eindeutiges Alleinstellungsmerkmal des Menschen. Mittlerweile wissen wir, dass nicht nur Menschenaffen, sondern auch viele andere Tiere Werkzeuge einsetzen – und einige sie sogar selbst herstellen können. Eine aktuelle Studie beschreibt dieses Verhalten bei einer Ameisenart: Die Insekten bauen eine Struktur aus Sand, um flüssige Nahrung aus einem Gefäß zu befördern. Das schützt sie vor der Gefahr des Ertrinkens und macht das Sammeln darüber hinaus noch effektiver.
Die Studie
Schwarze Feuerameisen (Selonopsis richteri) stammen ursprünglich aus Südamerika, sind aber inzwischen auch in Nordamerika verbreitet. Sie ernähren sich zu einem erheblichen Anteil von Nektar oder Honigtau, einer Ausscheidung Pflanzensaft-saugender Insekten. Die Forscher*innen Aiming Zhou, Youzhe Du und Jian Chen hatten in früheren Experimenten beobachtet, dass die Ameisen beim Sammeln solcher flüssiger Nahrung bestimmte Strukturen aus Sand errichteten. Für die leichten Feuerameisen bieten Flüssigkeiten stets die Gefahr zu ertrinken – der Verdacht lag also nahe, dass der Sand dabei half, dieses Risiko zu verringern. In einer aktuellen Studie untersuchten die Wissenschaftler*innen dieses Phänomen ganz gezielt.
Sie boten Kolonien Schwarzer Feuerameisen jeweils ein Töpfchen mit 15-prozentiger Zuckerlösung an. Allerdings versetzten sie diese in manchen Fällen mit Tensiden in unterschiedlicher Konzentration: Diese verringern die Oberflächenspannung der Flüssigkeit und erhöhen somit das Risiko für die Insekten, bei der Nahrungsaufnahme zu ertrinken. Zusätzlich stellten die Forscher*innen den Ameisen Sandkörner zur Verfügung.
Das Ergebnis
Während die Oberfläche der reinen Zuckerlösung den Feuerameisen genügend Halt bot, ertranken mit zunehmender Tensidkonzentration mehr und mehr Tiere. Gleichzeitig beförderten die übrigen Ameisen vermehrt Sandkörner zum Töpfchen. Ab einer gewissen Tensidkonzentration deponierten sie diese sowohl in der Lösung als auch am Innen- und Außenrand des Töpfchens und auf dem Boden davor. Innerhalb von anderthalb Stunden hatten die Ameisen so an den „risikoreichen“ Töpfchen eine Art Transportbrücke gebildet: Die Zuckerlösung bewegte sich durch den Sand bis auf den Boden vor dem Gefäß. Dort konnten die Tiere sie gefahrlos aufnehmen – mit dem Ergebnis, dass deutlich weniger von ihnen in der Lösung ertranken. Außerdem stieg die Effektivität: Die Ameisen sammelten durchschnittlich 8 Prozent mehr Nahrung im gleichen Zeitraum, wenn eine fertige Sandbrücke zur Verfügung stand.
Fazit
Die Studie zeigt, das Schwarze Feuerameisen Strukturen aus Sand einsetzen, um an flüssige Nahrung zu gelangen. Und nicht nur das, sie passen den Gebrauch dieses Werkzeugs sogar an die Gefahr des Ertrinkens an: Durchgängige „Sandbrücken“ beobachtete das Forschungsteam erst ab einer gewissen Tensidkonzentration. Ein wirklich beeindruckendes Ergebnis.
Zur Fach-Publikation:
Zhou, A.; Du, Y & Chen, J. (2020): Ants adjust their tool use strategy in response to foraging risk. Functional Ecology.
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