Schaben nutzen Ameisen als Transportmittel – und steigen auf ihrer Reise sogar um

Eine aktuelle Studie beschreibt die geschickte Reisemethode einer Schabenart. Wenn die in Ameisennestern lebenden Tiere eine neue Heimat suchen, reisen sie per Anhalter: Ameisen tragen sie vom alten Nest fort – und in ein neues hinein.

von Niklas Kästner

Schaben reisen per Anhalter mit Blattschneiderameisen
Eine Schabe reist auf einem Blatt, das von einer Blattschneiderameise getragen wird (Foto: Yasmin Shirali, Screenshot aus Video, zugeschnitten)

Blattschneiderameisen ernten Blätter und transportieren sie in ihr Nest. Nicht um sie zu fressen – sondern um damit Pilze zu füttern, die sie dort als Nahrung züchten. Texanische Blattschneiderameisen (Atta texana) haben dabei gelegentlich Mitesser: winzige Schaben der Art Attaphila fungicola leben in ihren Nestern und bedienen sich ebenfalls am Pilzgarten. Wird dort die Konkurrenz zu groß, kann es sich für die Schaben lohnen, ein neues Ameisennest zu besiedeln. Doch wie gelangen sie dorthin? Bekannt war bisher, dass die Schaben auf dem Rücken geflügelter Ameisenweibchen mitreisen, wenn diese zum Hochzeitsflug aufbrechen. Man nahm an, dass sie anschließend bei ihnen bleiben und auf diese Art zu „Gründungsmitgliedern“ eines neuen Nests werden. Laut einer aktuellen Studie des Forschers Zachary Phillips scheint das jedoch häufig nicht der Fall zu sein.

Die Studie

Phillips fing Blattschneiderameisen-Weibchen auf dem Hochzeitsflug und versah sie mit jeweils einer Schabe. Er beobachtete das Verhalten der mitreisenden Passagiere nach der Landung und stellte fest: Sie blieben keineswegs an der Seite ihrer Transporteurinnen. Vielmehr verließen sie diese meist noch bevor sie ihre Grabungen für die Nestgründung abgeschlossen hatten. Wie lässt sich das erklären?

Unter natürlichen Bedingungen landen junge Königinnen häufig in Gebieten, die bereits von Blattschneiderameisen besiedelt sind. Phillips kam deshalb die Idee, dass die Schaben die Gründerinnen nur als Möglichkeit nutzen, ihr Heimatnest zu verlassen – und dann auf anderem Weg weiterreisen. Ein weiterer Versuch bestätigte diesen Verdacht. Als der Forscher Jungköniginnen mit Passagieren in der Nähe von Transportwegen etablierter Blattschneiderameisen-Kolonien entließ, konnte er die Schaben beim Umsteigen beobachten: Sie verließen die Königinnen, kletterten auf von den anderen Ameisen transportiertes Pflanzenmaterial – und gelangten so vermutlich direkt in den Pilzgarten in deren Nest.

Eine Schabe der Art Attaphila fungicola reist per Anhalter auf einem von Ameisen getragenen Blatt mit (Video: Yasmin Shirali)

Fazit

Die Studie enthüllt eine geschickte Strategie der Schaben. Nur wenigen Jungköniginnen gelingt die erfolgreiche Gründung einer Kolonie. Und selbst wenn – bis zu einer florierenden Pilzzucht ist es ein weiter Weg. Durch das Umsteigen auf Blätter transportierende Ameisen gelangen die Schaben hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine bereits etablierte Gemeinschaft.

Es ist zwar gut möglich, dass manche Schaben dennoch ihren geflügelten Transportmitteln treu bleiben und so tatsächlich auch neu gegründete Nester besiedeln. Doch Phillips‘ Beobachtungen zufolge scheint die Umsteige-Strategie zumindest die häufigere zu sein.


Zur Fach-Publikation:
Phillips, Z. I. (2020): Emigrating together but not establishing together: A cockroach rides ants and leaves. American Naturalist.

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