Partnervermittlung bei Ameisen: Arbeiterinnen tragen paarungsbereite Weibchen in fremde Nester

Eine aktuelle Studie beschreibt erstmals, wie die Arbeiterinnen einer Ameisenart fortpflanzungsfähige Weibchen aus ihrer Kolonie zu anderen Nestern tragen – in denen sich diese mit fremden Männchen paaren. Auf diese Weise vermeiden die Tiere vermutlich Inzucht in ihrer Heimatkolonie.

von Tobias Zimmermann

Ameisen der untersuchten Art
Arbeiterinnen der untersuchten Art am Nesteingang (Foto: © Julia Giehr)

Anders als viele andere staatenbildende Insekten verzichten Jungköniginnen der Ameisenart Cardiocondyla elegans bei der Suche nach einem geeigneten Paarungspartner auf den sogenannten Hochzeitsflug. Einer aktuellen Studie zufolge engagieren sich stattdessen ihre Koloniemitglieder als „Partnervermittler“: Einzelne Arbeiterinnen tragen die fortpflanzungsfähigen Weibchen zu den Erdnestern anderer Kolonien – in denen sich diese offenbar mit fremden Männchen paaren.

Die Studie

Ein Team um Mathilde Vidal und Jürgen Heinze erforschte das ungewöhnliche Vorgehen der nur wenige Millimeter kleinen Ameisen über sechs Jahre innerhalb ihres natürlichen Lebensraums in Südfrankreich. Dabei verfolgten die Forschenden insgesamt 453 Arbeiterinnen, die ein anderes Weibchen trugen. Anhand von DNA-Proben bestimmten sie außerdem die Verwandtschaftsverhältnisse der beteiligten Tiere.

Die Ergebnisse

Die Forschenden beobachteten, wie die Arbeiterinnen Jungköniginnen huckepack über bis zu 15 Meter zum nadelstichgroßen Eingang einer anderen Kolonie trugen, um sie dort hineinfallen zu lassen. Dabei schienen sie äußerst zielgerichtet vorzugehen: Anstatt den nächstgelegenen Nesteingang einer benachbarten Kolonie auszuwählen, steuerten sie meist geradewegs deutlich entferntere Nester an.

Eine Arbeiterin trägt eine Jungkönigin (Foto: M. Vidal, aus Vidal et al. 2021, Lizenz: CC BY 4.0, zugeschnitten)

Die genetischen Untersuchungen ergaben, dass die Arbeiterinnen meist Weibchen trugen, die aus ihrem Heimatnest stammten und nah mit ihnen verwandt waren – und diese in die Nester von Kolonien beförderten, mit denen sie nicht verwandt waren. Die meisten der getragenen Jungköniginnen hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit Männchen im Heimatnest gepaart. Der Transfer in ein anderes Nest ermöglichte es ihnen aber vermutlich, sich anschließend erneut mit fremden Männchen zu paaren.

Und wie ging es anschließend für die „ausgesetzten“ Weibchen weiter? Es zeigte sich, dass sie nach der Paarungszeit in fremden Kolonien überwinterten und diese im folgenden Frühjahr verließen – vermutlich, um die befruchteten Eier zu legen und dadurch eine neue Kolonie zu gründen.

Fazit

Die Studie beschreibt erstmals, wie Ameisenarbeiterinnen fortpflanzungsfähige Weibchen aus ihrer Kolonie mit Paarungspartnern in fremden Nestern „verkuppeln“. Die Autor*innen gehen davon aus, dass dieses außergewöhnliche Phänomen dabei hilft, Inzucht innerhalb der Heimatkolonie zu vermeiden.

Das ist bei der untersuchten Art wahrscheinlich von besonderer Bedeutung: Die Tiere einer Kolonie stammen allesamt von einer einzigen Königin ab, verlassen das Nest aber üblicherweise nicht zur Paarung. Das würde zwangsläufig dazu führen, dass sich ausschließlich nahverwandte Nachkommen miteinander fortpflanzen – was langfristig mit Nachteilen verbunden wäre.


Zur Fach-Publikation:
Vidal, M.; Königseder, F.; Giehr, J.; Schrempf, A.; Lucas, C. & Heinze, J. (2020): Worker ants promote outbreeding by transporting young queens to alien nests. Communications Biology 4: 515.

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