Unverkennbarer Ruf: Fledermäuse erkennen Gruppenmitglieder am Klang ihrer Echoortung

Fledermäuse orientieren sich bei der nächtlichen Nahrungssuche mittels Echoortung. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Tiere einzelne Gruppenmitglieder sogar an ihren Orientierungsrufen erkennen. Dies hilft ihnen möglicherweise, die gemeinsame Nahrungssuche zu koordinieren und damit effizienter zu machen. 

von Tobias Zimmermann

Fledermäuse erkennen einander am Klang der Echoortung
Große Samtfledermäuse (Foto: Irene Mendez Cruz)

Fledermäuse gehen üblicherweise in der Nacht auf Beuteflug. Dass sie dabei trotz der schlechten Lichtverhältnisse erfolgreich sind, verdanken sie ihrer bemerkenswerten Fähigkeit zur Echoortung. Dazu senden die Tiere für Menschen unhörbare Ultraschallrufe in ihre Umgebung. Treffen diese auf ein Hindernis oder ein Beutetier, werden sie als Echo zurückgeworfen. Je näher ein solches Objekt ist, desto schneller kommt das Echo zurück. Die Fledermäuse fangen die reflektierten Schallwellen auf und orientieren sich so in ihrer Umgebung. Durch die rasante Abfolge ihrer Rufe können die Tiere sogar erfassen, in welche Richtung und mit welcher Geschwindigkeit sich ein Beutetier bewegt. Fledermäuse sehen also sozusagen mit den Ohren.

Viele Fledermausarten nutzen bei der Nahrungssuche zwei Arten der Ultraschallrufe. Im Suchflug produzieren die Tiere pro Sekunde etwa zehn Ortungsrufe mit großer Reichweite, um die Umgebung abzusuchen. Nähern sie sich einem potenziellen Beutetier, erhöht sich die Ruffrequenz auf über hundert Einzelrufe pro Sekunde. Mit diesen Fangrufen (Englisch: feeding buzzes) spüren die Tiere ihre Beute präzise auf.

Gemeinsame Nahrungssuche in Hörweite

Die Ultraschallrufe sind auch für Artgenossen hörbar. „Mithörer“ der Fangrufe erhalten somit nützliche Informationen über verfügbare Nahrungsquellen in ihrer Umgebung. Einigen Arten machen sich diesen indirekten Informationsaustauch gezielt zunutze – so auch die Große Samtfledermaus (Molossus molossus). Die Weibchen dieser Art leben in stabilen Gruppen und gehen nachts gemeinsam mit anderen Gruppenmitgliedern auf Nahrungssuche. Eine aktuelle Studie eines Forschungsteams um die Wissenschaftlerinnen Jenna Kohles und Dina Dechmann zeigt, dass die Tiere sogar in der Lage sind, einzelne Mitglieder ihrer Gruppe an deren Orientierungsrufen zu erkennen. Dadurch könnte die gemeinschaftliche Nahrungssuche noch erfolgreicher werden.

Die Studie

Zunächst fingen die Forschenden in der panamaischen Stadt Gamboa mehrere Gruppen freilebender Fledermäuse und markierten sie mithilfe von Transpondern. Während sie die Tiere anschließend freiließen, zeichneten sie deren Orientierungsrufe für die folgenden Experimente auf.

Für den eigentlichen Versuch fing das Forschungsteam einen Teil der Fledermäuse erneut ein und untersuchte mithilfe des sogenannten Habituations-Dishabituations-Paradigmas, ob sie verschiedene Gruppenmitglieder anhand der aufgezeichneten Rufe unterscheiden können. Dabei wird das Tier zunächst einem Reiz ausgesetzt, bis es sich daran gewöhnt hat und nicht mehr darauf reagiert (Habituation bzw. „Gewöhnung“). Anschließend wird dem Tier ein neuer Reiz präsentiert. Reagiert das Tier darauf mit erhöhter Aufmerksamkeit (Dishabituation), ist das ein Zeichen dafür, dass es einen Unterschied zwischen beiden Reizen wahrnimmt.

Eine Fledermaus im Versuch (Foto: Jenna Kohles)

Die Ergebnisse

Zu Beginn beschallte das Forschungsteam die Fledermäuse für zehn Minuten mit den aufgezeichneten Orientierungsrufen eines ihrer Gruppenmitglieder und beobachtete, wie häufig die Tiere ihren Kopf hin- und herbewegten. Mit diesem Verhalten richten die Tiere üblicherweise ihre Ohren aus, um eine Geräuschquelle zu lokalisieren. Die Fledermäuse zeigten eindeutig eine Gewöhnung an den Reiz: Während sie in den ersten 40 Sekunden durchschnittlich etwa 18 Mal mit schnellen Kopfbewegungen reagierten, war dies in den letzten 40 Sekunden nur etwa 4 Mal der Fall.

Die entscheidende Frage lautete: Wie würden die Fledermäuse nun auf die Signale eines anderen Artgenossen reagieren? Um dies zu beantworten, bekamen die Tiere im Anschluss die Orientierungsrufe eines weiteren Gruppenmitglieds zu hören. Diese lösten wieder eine deutliche Reaktion aus: Innerhalb von 40 Sekunden zeigten die Tiere im Schnitt etwa 18 Mal das charakteristische Kopfwackeln – und damit genauso häufig wie zu Beginn der vorherigen Habituationsphase.

Eine Szene aus dem Versuch: Die Fledermaus reagiert aufmerksam auf die Ortungsrufe eines Artgenossen (Video: Jenna Kohles)

Die Kontrolle

Die Fledermäuse schenkten dem neuen Ruf somit eindeutig eine erhöhte Aufmerksamkeit. Es ist allerdings möglich, dass sie dabei lediglich auf Unterschiede zwischen den Tonaufnahmen und nicht wirklich auf Unterschiede in den „Stimmen“ der einzelnen Gruppenmitglieder reagierten. Um das auszuschließen, spielte das Forschungsteam den Tieren anschließend erneut Orientierungsrufe des Tiers vor, das sie zuerst gehört hatten – in diesem Fall verwendeten sie aber eine andere Aufnahme. 

In dieser Situation reagierten die Fledermäuse innerhalb von 40 Sekunden im Schnitt nur etwa 9 Mal mit den typischen Kopfbewegungen. Sie schienen sich also zu erkennen, dass es die Rufe eines Artgenossen waren, den sie bereits gehört hatten.

Fazit

Die Studie liefert klare Anzeichen dafür, dass Große Samtfledermäuse die Ultraschallrufe verschiedener Gruppenmitglieder auseinanderhalten können. Somit haben die Orientierungsrufe offenbar eine doppelte Funktion: Sie ermöglichen den Tieren nicht nur ihre Beute aufzuspüren, sondern auch einander zu erkennen. Die Forscher*innen vermuten, dass diese Fähigkeit besonders vorteilhaft für Arten ist, die gemeinsam in Gruppen auf Nahrungssuche gehen. Denn dadurch können die Gruppenmitglieder ihre gemeinsame Suche im Dunkeln koordinieren, um dauerhaft in Hörweite zu bleiben.


Zur Fach-Publikation:
Kohles, J. E.; Carter, G. G.; Page, R. A. & Dechmann, D. K. N. (2020): Socially foraging bats discriminate between group members based on search-phase echolocation calls. Behavioral Ecology.

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