Männliche und Weibliche Dohlen bleiben üblicherweise ein Leben lang zusammen und pflegen enge soziale Beziehungen. Daher überrascht das Ergebnis einer aktuellen Studie: War ihre Partnerin von einer Bedrohung gestresst, gaben Männchen ihr nicht mehr, sondern weniger Zuwendung.
Manche Tiere verhalten sich besonders freundlich gegenüber gestressten Sozialpartnern, zum Beispiel nachdem diese in einen Konflikt mit einem Artgenossen verwickelt waren. Dieses häufig als „Trösten“ bezeichnete Verhalten haben Forschende unter anderem bereits bei Menschenaffen, Nagetieren und Rabenvögeln beobachtet. In einer aktuellen Studie an wildlebenden Dohlen (Corvus monedula) ergab sich allerdings ein anderes Bild: Nachdem brütende Weibchen in eine bedrohliche Situation geraten waren, besuchten ihre Partner sie seltener und verhielten sich weniger zugewandt.
Weibchen in Not
Dohlen bilden Paare, die für gewöhnlich ein Leben lang zusammenbleiben und ausschließlich gemeinsam Nachwuchs zeugen. Während das Weibchen die Eier bebrütet, kommt das Männchen regelmäßig in der Bruthöhle vorbei, um es mit Nahrung zu versorgen oder Zärtlichkeiten auszutauschen.
Mitunter bekommen die weiblichen Dohlen allerdings auch unerwünschten Besuch: Fremde Männchen dringen in das Nest ein und versuchen, sie zur Paarung zu nötigen. Die Weibchen wehren sich meist heftig dagegen und attackieren die Eindringlinge. Kehren die Partner der Weibchen anschließend an den Nistplatz zurück, treffen sie diese üblicherweise entsprechend aufgebracht an. Ein Forschungsteam um Rebecca Hooper und Alex Thornton ging in einer Untersuchung der Frage nach, wie die Männchen sich in einer solchen Situation verhalten.
Die Studie
Die Wissenschaftler*innen installierten Kameras in verschiedenen Nistkästen, in denen Dohlenpaare ein Nest bauten. Etwa zehn Tage, nachdem die Weibchen ihr erstes Ei gelegt hatten, spielten sie ihnen aus Lautsprechern bedrohliche Geräusche vor: Das Tapsen von Dohlenfüßen auf dem Nistkasten gepaart mit dem Kontaktruf eines Männchens. Die Weibchen fühlten sich davon offenbar bedroht: Sie verließen ihr Nest und waren bei der Rückkehr wesentlich unruhiger als zuvor. Anschließend beobachteten die Forschenden auf den Videoaufnahmen, wie die ahnungslosen Partner der Weibchen sich nach der simulierten Bedrohung verhielten – und verglichen das Ergebnis mit ihrem Verhalten vor dem Abspielen der Geräusche.
Das Ergebnis
Wenn die Männchen ihre Weibchen nach der vermeintlichen Notsituation antrafen, war ihr Verhalten im Vergleich zu vorher merklich verändert – sie reagierten anscheinend auf den gestressten Zustand ihrer Partnerinnen. Allerdings fiel die Reaktion ganz anders aus, als die Wissenschaftler*innen erwartet hatten: Die Männchen schienen ihre Weibchen keineswegs zu „trösten“ – vielmehr verringerten sie die Zahl ihrer Besuche und verhielten sich deutlich weniger zugewandt. Lediglich die Rate, mit der sie ihre Partnerinnen fütterten, blieb unverändert. Das gleiche Phänomen beobachteten die Forschenden auch in einigen zuvor aufgezeichneten Situationen, bei denen es tatsächlich zu erzwungenen Kopulationen durch fremde Männchen gekommen war.
Fazit
Männliche Dohlen scheinen ihre gestressten Partnerinnen eher zu meiden als ihnen mit besonders freundlichem Verhalten zu begegnen. Wie lässt sich das erklären? Die Forschenden vermuten, dass es sich dabei um eine Art Selbstschutz handeln könnte: Der aufgebrachte Zustand der Weibchen weist auf eine mögliche Bedrohung hin und die Männchen halten sich deshalb nicht länger als nötig im Nistkasten auf. Offen bleibt vorerst, ob die in der Studie untersuchte Situation für das Ergebnis entscheidend war – oder ob wildlebende Dohlen ihre Partnerinnen grundsätzlich nicht „trösten“.
Zur Fach-Publikation:
Hooper, R.; Meekins, E.; McIvor, G. E. & Thornton, A. (2021): Wild jackdaws respond to their partner’s distress, but not with consolation. Royal Society Open Science 8: 210253.
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