Wo gibt es derzeit Nahrung? Nilflughunde planen ihre Ausflüge im Voraus

Einer aktuellen Studie zufolge wissen Nilflughunde, für wie lange bestimmte Bäume Nahrung versprechen – und wie viel Wasser und Eiweiß ihre Früchte enthalten. Auf dieser Grundlage entscheiden sie offenbar bereits beim Verlassen ihrer Kolonie, welchen Baum sie ansteuern.

von Niklas Kästner

Ein Nilflughund mit einer Frucht (Foto: Yuval Barkai, Lizenz: CC BY 4.0, zugeschnitten)

Jeden Abend verlassen die Nilflughunde (Rousettus aegyptiacus) an der Universität von Tel Aviv ihre Kolonie und begeben sich auf Nahrungssuche. Dabei steuern die Tiere, die sich vor allem von Früchten ernähren, unterschiedliche Bäume in ihrer Umgebung an – wobei sie sich auf ihre hervorragende Ortskenntnis verlassen können. Allerdings tragen die Pflanzen in diesem Gebiet zu unterschiedlichen Zeiten Früchte und nicht alle passen gleich gut zum jeweiligen Nährstoffbedarf der Flughunde. Berücksichtigen die Tiere das beim Verlassen der Kolonie und schlagen eine bestimmte Richtung ein? Oder fliegen sie einfach drauf los und versuchen ihr Glück? Dieser Frage ist ein Forschungsteam um Lee Harten und Yossi Yovel in einer aktuellen Studie nachgegangen.

Rückkehr zu Bäumen mit langer Nahrungsverfügbarkeit

Wenn ein Baum gerade Früchte trägt, kann es sich für Flughunde lohnen, für eine gewisse Zeit immer wieder zu diesem zurückzukehren. Das gilt aber nicht für jede Art gleichermaßen: An manchen Bäumen lässt sich über Wochen Nahrung ergattern, an manchen nur für wenige Tage. In einem Experiment untersuchten die Forschenden, ob die Nilflughunde diesen Aspekt auf dem Schirm haben. Dazu hinderten sie einige der nachtaktiven Tiere am Verlassen der Kolonie und versorgten sie stattdessen dort mit Nahrung. Anschließend verfolgten sie mit GPS-Trackern, welche Bäume die Flughunde ansteuerten.

Es zeigte sich: Wenn das Team die Tiere nur für eine Nacht am Ausfliegen hinderte, ergab sich danach kein besonderes Muster hinsichtlich der angesteuerten Ziele. Wurde den Tieren jedoch für mehrere Nächte der Ausflug verwehrt, kehrten sie anschließend deutlich häufiger zu Bäumen zurück, an denen sie üblicherweise für längere Zeit Früchte finden, als zu Bäumen, wo das Nahrungsangebot rasch erschöpft ist. Das lässt darauf schließen, dass die Nilflughunde einschätzen können, wie lange bestimmte Bäume Früchte tragen. Interessanterweise ergab sich dieser Unterschied allerdings nur bei erfahrenen, nicht aber bei unerfahrenen Tieren – was darauf schließen lässt, dass junge Flughunde die Eigenschaften der Bäume in ihrer Umgebung erst kennenlernen müssen.

Zusammensetzung der Nahrung: Mehr Wasser oder mehr Eiweiß

In einem zweiten Schritt untersuchten die Forschenden, inwieweit sich der Nährstoffbedarf der Nilflughunde darauf auswirkt, welche Bäume sie bei ihren Ausflügen zuerst ansteuern. Jeden Abend stellten sie den Tieren eine Schale mit Obst bereit, das viel Wasser und Zucker, aber wenig Eiweiß enthielt. Abhängig davon, wann die Tiere ausflogen, hatten sie unterschiedlich viel Zeit, davon zu fressen. Deshalb vermuteten die Forschenden, dass die Tiere je nach der Zeit des Losfliegens auf unterschiedliche Nahrung aus sein sollten. Denn Tiere, die spät ausflogen und vorher entsprechend viel von dem Obst gefressen hatten, benötigten zur Ergänzung der zuckerhaltigen Kost vor allem Eiweiß. Tiere, die früh ausgeflogen waren, brauchten hingegen nach zwölf Stunden in der Kolonie vor allem Flüssigkeit. Tatsächlich stellte das Team fest: Je später ein Flughund die Kolonie verließ, desto höher war der Eiweißgehalt der Früchte des ersten Baums, den er ansteuerte – und je früher ein Flughund die Kolonie verließ, desto höher der Wassergehalt.

Geplante Ausflüge

Zudem machte das Team im Rahmen des zweiten Experiments die Beobachtung, dass die Flughunde offenbar bereits beim Verlassen der Kolonie entschieden, welchen Baum in ihrer Umgebung sie zuerst ansteuerten. So flogen sie nicht nur auf relativ direktem Weg zu ihrem jeweiligen Ziel, sondern passten auch ihre Geschwindigkeit der Entfernung an: Je länger der Weg zum Baum, desto schneller flogen sie – und das bereits in den ersten Minuten nach dem Start. 

Fazit

Die Ergebnisse der Studie lassen darauf schließen, dass Nilflughunde sich bei der nächtlichen Nahrungssuche keineswegs auf den Zufall verlassen. Vielmehr scheinen sie schon im Voraus zu entscheiden, zu welchen Bäume sie sich auf den Weg machen. Dabei berücksichtigen sie offenbar, wie viel Wasser bzw. Eiweiß deren Früchte enthalten, und können einschätzen, ob sich dort für längere oder kürzere Zeit Nahrung ergattern lässt. Eine beeindruckende Kenntnis der Nahrungsverfügbarkeit – die zumindest in Bezug auf den letzten Punkt offenbar nicht angeboren, sondern erlernt ist.


Zur Fach-Publikation:
Harten, L.; Chen, X.; de Marcas, L.; Rachum, A. Handel, M.; Goldshtein, A. (…) & Yovel, Yossi (2024): Time-mapping and future-oriented behavior in free-ranging wild fruit bats. Current Biology.

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