Tierleid in Aquakulturen: Wissenslücken als Gefahr für das Wohlergehen

Die Zahl der in Aquakulturanlagen gezüchteten Tiere ist rapide gestiegen. In einer aktuellen Studie machen Forschende auf die Gefahr erheblichen Tierleids aufmerksam, die damit einhergeht. Denn für einen Großteil der Arten existieren keine Erkenntnisse darüber, wie man ihr Wohlergehen gewährleistet.

von Niklas Kästner

Die Bedeutung der Aquakultur wächst rapide.
Die Zahl der in Aquakulturanlagen gezüchteten Tiere wächst (Foto: Jackripper11 via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 4.0, zugeschnitten)

Es gibt mittlerweile gute wissenschaftliche Argumente dafür, dass viele Tiere sowohl Schmerzen als auch emotionales Leid empfinden können. Entsprechend lässt sich in Bezug auf die Tierhaltung ein Bewusstseinswandel beobachten: Das Wohlergehen unserer nicht-menschlichen Verwandten findet zunehmend Berücksichtigung.

Die Tierschutzforschung trägt dazu bei, die Bemühungen um das Wohlergehen von Tieren auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen: Nur wenn wir die Ansprüche einer Art an ihre Umwelt kennen, können wir ihnen gerecht werden. Vor diesem Hintergrund warnen Forscher*innen in einer aktuellen Studie vor den Tierschutzrisiken bei der Züchtung wasserlebender Organismen in Aquakulturanlagen. Denn ihre Untersuchung zeigt: Für kaum eine der derzeit gehaltenen Arten existieren nennenswerte Erkenntnisse zur Gewährleistung ihres Wohlergehens.

Die Studie

Die Wissenschaftler*innen Becca Franks, Christopher Ewell und Jennifer Jacquet erhoben Daten zum globalen Ausmaß der Aquakultur im Jahr 2018. Dabei ergab sich eine Gesamtmenge von 250 bis 408 Milliarden Tieren: 59-129 Milliarden Wirbeltiere (vor allem Fische) und 191-279 Milliarden Wirbellose (z. B. Muscheln und Krebse).

Insgesamt gehörten die Tiere 408 verschiedenen Arten an. Das sind etwa 20-mal mehr Arten als die wirtschaftlich genutzten Landtiere. Und im Gegensatz zu letzteren gab es für die wasserlebenden Spezies kaum tierschutzrelevante Untersuchungen: Nur für 84 Arten existierten überhaupt wissenschaftliche Studien zu ihrem Wohlergehen – und nur bei 25 davon waren es mehr als vier.

Fazit

Die Studie offenbart eine massive Diskrepanz zwischen der rapide wachsenden Aquakultur und unserem Wissen über die Ansprüche der dort gezüchteten Individuen an ihre Umwelt. Die Forschenden betonen deshalb die Notwendigkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse darüber zu sammeln, wie die verschiedenen Arten in freier Wildbahn leben und wie sich ihr Wohlergehen gewährleisten lässt. Bis wir auf diese zurückgreifen können, empfehlen sie eine andere Strategie: In Aquakulturanlagen sollten vornehmlich Organismen gezüchtet werden, bei denen eine vergleichsweise geringe Gefahr besteht, dass die Haltung Leid verursacht – also im Zweifelsfall lieber Muscheln oder gar Seetang anstelle von Kopffüßern.


Zur Fach-Publikation:
Franks, B.; Ewell, C. & Jacquet, J. (2021): Animal welfare risks of global aquaculture. Science Advances 7: eabg0677.

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