Eine aktuelle Studie zeigt: Spiegelrotschwänze nisten näher an menschlichen Behausungen, wenn in ihrem Brutgebiet Kuckucke anwesend sind. Dadurch senken sie das Risiko, dass die Brutparasiten ihnen ein Ei ins Nest schmuggeln.
Kuckuck-Weibchen (Cuculus canorus) kümmern sich bekanntermaßen nicht selbst um ihren Nachwuchs, sondern legen ihre Eier in die Nester anderer Arten. Für die betroffenen Vögel hat das drastische Konsequenzen: Sie investieren viel Energie in die Aufzucht eines fremden Kükens, das noch dazu ihren eigenen Nachwuchs aus dem Nest befördert. Insofern ist es für die Wirte des Kuckucks von großer Bedeutung, ihre Gelege vor dem Brutparasiten zu schützen. Einer in Ostasien beheimateten Singvogelart gelingt das einer aktuellen Studie zufolge durch die geschickte Wahl des Nistplatzes.
Menschennähe bietet Rotschwänzen Schutz vor Kuckucken
Spiegelrotschwänze (Phoenicurus auroreus) sind nahe Verwandte der bei uns heimischen Garten- und Hausrotschwänze (Phoenicurus phoenicurus bzw. ochrurus). Im Rahmen einer mehrjährigen Untersuchung bestimmten Forschende um Jinggang Zhang und Bart Kampenaers im Osten Chinas die Lage von insgesamt 490 Nestern dieser Art und überprüften, ob diese von Kuckucken parasitiert wurden. Es zeigte sich: Rotschwänze, die innerhalb von Gebäuden brüteten, wurden erheblich seltener Opfer der Brutparasiten als solche, die außerhalb brüteten. Darüber hinaus sank bei Letzteren das Risiko, je näher sich ihr Nest an einem Gebäude befand. Das lässt darauf schließen, dass Kuckucke ihre Eier seltener in Nester schmuggeln, die sich in der Nähe oder innerhalb menschlicher Behausungen befinden.
Die Nistplatzwahl hängt mit der Anwesenheit von Kuckucken zusammen
Eine weitere Beobachtung der Forschenden legte sogar nahe, dass Rotschwänze aktiv Nistplätze in größerer Nähe zu Menschen wählen, um sich vor den Brutparasiten zu schützen: Die Spiegelrotschwänze in der vom Team untersuchten Population brüten meist zweimal pro Jahr. Gefahr durch die Kuckucke droht ihnen erst bei der zweiten Brut – denn während der ersten Brutphase sind diese noch nicht aus ihrem Winterquartier zurückgekehrt. Tatsächlich stellten die Forschenden fest, dass die Wahl der Nistplätze durch die Rotschwänze sich nach der Ankunft der Kuckucke veränderte: Sie brüteten im Vergleich zur ersten Brutphase deutlich häufiger innerhalb von Gebäuden – und wenn sie außerhalb davon brüteten, platzierten sie ihre Nester in geringerer Distanz davon.
Bei der Interpretation eines solchen Zusammenhangs ist allerdings Vorsicht geboten: Man kann daraus nicht zwingend schließen, dass einer die Ursache des anderen ist. Es könnte auch andere Erklärungen für die Nistplatzwahl der Rotschwänze geben, denn schließlich verändern sich mit Fortschreiten des Jahres viele unterschiedliche Faktoren.
Vorgetäuschte Anwesenheit von Kuckucken beeinflusst die Nistplatzwahl
Um eine Aussage darüber treffen zu können, ob die Vögel die Wahl ihres Nistplatzes tatsächlich an die An- oder Abwesenheit von Kuckucken anpassen, führten die Forschenden deshalb ein Experiment durch. Während der ersten Brutphase der Rotschwänze, d.h. vor der Ankunft der Brutparasiten, platzierten sie in einigen Bereichen des Untersuchungsgebiets ausgestopfte Kuckucke und spielten deren Rufe ab. In anderen Bereichen gingen sie ähnlich vor, allerdings kamen dort Rufe und ausgestopfte Körper von Wiedehopfen (Upupa epops) zum Einsatz – also Vögel, von denen keine Bedrohung für die Spiegelrotschwänze ausgeht.
Tatsächlich wirkten sich die Maßnahmen der Forschenden unterschiedlich auf die Nistplatzwahl der Rotschwänze aus: Dort, wo das Team die Anwesenheit von Kuckucken vortäuschte, nisteten die Vögel dreimal so häufig innerhalb von Gebäuden als in den Vergleichsgebieten – und die Nester außerhalb der Gebäude befanden sich in größere Nähe zu diesen.
Fazit
Die Untersuchung enthüllt eine faszinierende Verhaltensanpassung, mit der Spiegelrotschwänze ihr Risiko senken, ein Kuckucks-Küken großzuziehen: Sie brüten nah an Gebäuden oder sogar direkt darin. In dieser Lage sind ihre Nester den Beobachtungen des Teams zufolge verhältnismäßig gut vor den Brutparasiten geschützt – vermutlich weil Kuckucke sich von Menschen eher fernhalten.
Allerdings steckt hinter dieser geschickten Schutzmaßnahme mit großer Wahrscheinlichkeit keine Überlegung der Vögel. Es ist eher anzunehmen, dass es sich um ein genetisch veranlagtes Verhalten handelt, das sich im Zuge der natürlichen Selektion entwickelt hat – weil sich Rotschwänze, die während der Anwesenheit von Kuckucken in der Nähe von Menschen brüteten, erfolgreicher fortgepflanzt haben.
Zur Fach-Publikation:
Zhang, J.; Santema, P.; Li, J.; Deng, W. & Kempenaers, B. (2023): Brood parasitism risk drives birds to breed near humans. Current Biology 33.
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