Gärtner unter Wasser: Seeotter erhöhen die genetische Vielfalt von Seegraswiesen

Seeotter graben in Seegraswiesen nach Nahrung. Dadurch verletzen sie zwar einzelne Pflanzen, gleichzeitig erhöhen sie einer aktuellen Studie zufolge jedoch die genetische Vielfalt in der Seegraspopulation – was deren Widerstandskraft steigern dürfte.

von Niklas Kästner

Seeotter gehen unter Wasser auf Nahrungssuche.
Seeotter gehen unter Wasser auf Nahrungssuche (Foto: mana5280 via Unsplash, zugeschnitten)

Seit etwa 50 Jahren leben vor der Küste der kanadischen Provinz British Columbia wieder Seeotter (Enhydra lutris). Die Ergebnisse einer aktuellen Studie legen nahe, dass ihre Anwesenheit den Wiesen aus Seegras (Zostera marina) zugutekommen dürfte, die dort den Meeresboden begrünen.

Dichter Pelz weckt Begehrlichkeiten

Mit bis zu 400.000 Haaren pro Quadratzentimeter halten Seeotter den Rekord für das dichteste Fell aller Säugetiere. Ihr außergewöhnlicher Pelz hilft den Tieren, im kalten Wasser des Nordpazifiks nicht auszukühlen. Und doch wurde er ihnen zum Verhängnis – weil er Begehrlichkeiten beim Menschen weckte. Eine intensive Bejagung führte dazu, dass die Seeotterbestände zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert dramatisch schrumpften. Inzwischen haben jedoch intensive Schutzmaßnahmen und Wiederansiedlungsprojekte dafür gesorgt, dass sich die Populationen allmählich erholen – und die Seeotter sogar Gebiete zurückerobern, aus denen sie lange Zeit ganz verschwunden waren.

Wo Seeotter leben, sind Seegraswiesen genetisch vielfältiger

In British Columbia hat die Rückkehr der Tiere offenbar messbare Folgen für das den Meeresgrund bedeckende Seegras. Ein Forschungsteam um Erin Foster und Chris Darimont stellte fest: In Bereichen, in denen seit mehreren Jahrzehnten wieder Seeotter lebten, war die genetische Vielfalt des Seegrases wesentlich höher als in Bereichen, in denen die Otter noch nicht oder erst seit wenigen Jahren wieder vorkamen. Wie lässt sich das erklären?

Seegras kann sich einerseits vegetativ vermehren, indem sein Rhizom sich ausbreitet und daraus neue Pflanzen austreiben, die alle genetisch identisch sind. Andererseits kann es sich aber auch sexuell durch Blüten- und Samenbildung fortpflanzen, wobei es zu einer genetischen Durchmischung kommt. Die Forschenden vermuten, dass Seeotter die sexuelle Vermehrung des Seegrases begünstigen: Wenn sie am Meeresboden nach Muscheln oder anderen Tieren graben, zerbrechen sie mitunter die Rhizome der Pflanzen und hinterlassen freie Flächen, auf denen Samen keimen können.

Fazit

Genetische Vielfalt gilt als wichtiger Faktor für die Widerstandsfähigkeit einer Population. Entsprechend könnte die Aktivität der Seeotter indirekt dazu führen, dass die Seegraswiesen besser gegen zukünftige Herausforderungen geschützt sind. Davon würden wiederum viele andere Arten profitieren, die auf das Seegras angewiesen sind.

Interessanterweise sind die Seegraswiesen nicht das einzige Ökosystem, auf das Seeotter positive Auswirkungen haben. Auch um den Erhalt von Kelpwäldern machen sich die wasserlebenden Raubtiere verdient, indem sie Seeigel in Schach halten, die dem Seetang ansonsten schnell den Garaus bereiten.


Zur Fach-Publikation:
Foster, E.; Watson, J.; Lemay, M. A.; Tinker, M. T.; Estes, J. A.; Piercey, R. (…) & Darimont, C. T. (2021): Physical disturbance by recovering sea otter populations increases eelgrass genetic diversity. Science 333-335.

Wir freuen uns über Anmerkungen, Fragen oder Feedback im Kommentarbereich! Allerdings behalten wir uns vor, Kommentare zu löschen, die unserer Meinung nach rechtswidrig oder aus anderen Gründen unangemessen sind. Bitte beachten Sie auch die Hinweise zur Kommentarfunktion in unserer Datenschutzerklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert