Transparente Tarnung: Ruhende Glasfrösche verstecken rote Blutzellen in der Leber

Wenn Glasfrösche auf Blättern ruhen, verschwimmt ihr Körper mit der Vegetation. Ihre Transparenz verdanken die Tiere einer aktuellen Studie zufolge dabei nicht nur ihrer durchscheinenden Haut – sondern auch einem faszinierenden physiologischen Mechanismus.

von Niklas Kästner

Ein Glasfrosch aus der Gattung Hylinobatrachium (Foto: Brian Gratwicke via Flickr, Lizenz: CC BY 2.0; zugeschnitten)

Glasfrösche tragen ihren Namen aufgrund einer besonderen Eigenschaft: Ihre Haut ist insbesondere auf der Körperunterseite stark lichtdurchlässig. Diese Transparenz hat beträchtliche Vorteile. Denn wenn sie tagsüber auf Pflanzen ruhen, verschwimmen die Umrisse ihres Körpers mit dem Hintergrund und sie sind für Fressfeinde schlechter zu entdecken. Einer aktuellen Untersuchung zufolge beruht dies allerdings nicht allein auf der durchsichtigen Haut – sondern auch darauf, dass die Tiere im Ruhezustand einen Großteil ihrer roten Blutkörperchen in der Leber einlagern.

Die Leber als Blutversteck

Ein Forschungsteam um Carlos Taboada und Sönke Johnson wurden an Glasfröschen der Art Hyalinobatrachium fleischmanni auf den besonderen Mechanismus aufmerksam. Die Forschenden beobachteten, dass die Transparenz der Tiere mit ihrer Aktivität schwankte: In Ruhephasen waren ihre Körper zwischen 34 und 61 Prozent stärker lichtdurchlässig, als wenn sie sich kurz zuvor körperlich betätigt hatten.

Um herauszufinden, was es damit auf sich hat, untersuchten die Forschenden die Glasfrösche mithilfe von bildgebenden Verfahren. Sie stellten fest: Wenn die Tiere ruhten, enthielt ihr Kreislaufsystem fast 90 Prozent weniger rote Blutkörperchen. Diese lagerten stattdessen dicht gepackt in der Leber, deren Volumen dadurch um rund 40 Prozent zunahm. Der in den Blutkörperchen enthaltene Farbstoff Hämoglobin konzentrierte sich folglich in diesem Organ – während sich im restlichen Körper der Frösche die Transparenz verstärkte.

Auf diesen Aufnahmen der Forschenden sieht man links einen ruhenden Glasfrosch und rechts einen, der kurz zuvor aktiv war (Video: Jesse Delia)

Fazit

Ein durchscheinendes Gewebe bringt für die Tarnung nur wenig, wenn das dadurch fließende Blut die Körperumrisse verrät. Die Untersuchungen des Forschungsteams enthüllen, auf welch faszinierende Weise Glasfrösche dieses Problem lösen.

Wie bei uns Menschen, sind die roten Blutkörperchen bei ihnen für den Sauerstofftransport verantwortlich. Während die Frösche ruhen, ist ihr Stoffwechsel offenbar so stark heruntergefahren, dass sie nur einen Bruchteil der Zellen benötigen und die überschüssigen in ihrer Leber „verstecken“ können. Eine solch dichte Ansammlung von roten Blutzellen birgt bei vielen Wirbeltieren die Gefahr von Thrombosen. Dass eine Verklumpung des Bluts bei den Glasfröschen offenbar ausbleibt, könnte den Forschenden zufolge auch für die medizinische Forschung von Interesse sein.


Zur Fach-Publikation:
Taboada C.; Delia, J.; Chen, M.; Ma, C.; Peng, X. Zhu X. (…) & Johnsen, S. (2022): Glassfrogs conceal blood in their liver to maintain transparency. Science 378.

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