Eine aktuelle Studie beschreibt unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten bei benachbarten Gruppen von Bonobos: Trotz gleicher Beuteverfügbarkeit machen sie Jagd auf verschiedene Tierarten. Vieles weist darauf hin, dass es sich bei diesen Vorlieben um Traditionen handelt.
Lange galt das Dogma, dass Traditionen ein Alleinstellungsmerkmal das Menschen sind. Heute ist klar: Wir sind in dieser Hinsicht zwar unübertroffen, aber bei weitem nicht einzigartig. Verhaltensweisen, die innerhalb einer Gruppe durch soziales Lernen von Generation zu Generation weitergegeben werden, findet man auch bei Tieren. Beispiele dafür sind Dialekte bei Vögeln, Fangtechniken bei Walen und der Gebrauch bestimmter Werkzeuge bei Primaten. Eine aktuelle Studie beschreibt nun erstmals Unterschiede im Jagdverhalten von Bonobos (Pan paniscus), bei denen es sich ebenfalls um Traditionen zu handeln scheint.
Die Studie
Liran Samuni, Lisa Wegdell und Martin Surbeck beobachteten für die Studie über dreieinhalb Jahre zwei Bonobogruppen in der Demokratischen Republik Kongo. Die eine umfasste während dieser Zeit 9 bis 11 erwachsene Tiere, die andere 16 bis 24. Anders als die nahverwandten Schimpansen (Pan troglodytes) verteidigen Bonobos kein Territorium. So überlappten sich auch die Streifgebiete der beiden untersuchten Gruppen zu 65 Prozent. Die Primaten ernähren sich zwar überwiegend pflanzlich, fressen aber auch gelegentlich kleinere Säugetiere, die sie erbeutet haben. Die Jagd nach diesen stand im Fokus der Untersuchung der Wissenschaftler*innen.
Knapp 60 Mal beobachtete das Forschungsteam, wie die Bonobos Beute machten. Interessanterweise gab es dabei aber einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden untersuchten Gruppen: Während die eine fast ausschließlich Dornschwanzhörchen (Anomalurus derbianus bzw. Anomalurus beecrofti) erbeutete, hatte es die andere vor allem auf Ducker-Antilopen (Philantomba monticola bzw. Cephalophus castaneus) und Rotschenkelhörnchen (Funisciurus congicus) abgesehen. Dabei lebten alle Beutetiere im Streifgebiet beider Gruppen – und die Jagd fand zudem häufig in der Überlappungszone statt. So lässt sich ausschließen, dass Unterschiede in der Beuteverfügbarkeit für die Präferenzen der Primaten eine Rolle spielten.
Fazit
Die Beobachtungen des Forschungsteams legen nahe, dass es sich bei den unterschiedlichen Beutevorlieben der Bonobos um sozial weitergegebene Traditionen handelt. Die Wissenschaftler*innen vermuten, dass diese den Gruppen sogar einen Vorteil bieten: Machen sie Jagd auf unterschiedliche Arten, kommen sie sich nicht in die Quere.
Zur Fach-Publikation:
Samuni, L.; Wegdell, F. & Surbeck, M. (2020): Behavioural diversity of bonobo prey preference as a potential cultural trait. eLife 9: e59191.
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