Menschen und Bären – (wie) klappt das Zusammenleben?

Eine aktuelle Studie zeigt: Die Sterblichkeit junger Grizzlybären ist in Menschennähe deutlich erhöht. Erwachsene Bären vermeiden Konflikte, indem sie vermehrt nachts aktiv sind. Zum Erhalt ihrer Population sind die Grizzlys allerdings auf Zuwanderung aus naturbelassenen Gegenden angewiesen.

von Niklas Kästner

Junge Grizzlybären haben in von Menschen besiedelten Gebieten ein höheres Sterberisiko
Junge Grizzlybären haben in von Menschen besiedelten Gebieten ein höheres Sterberisiko (Foto: papaioannou via Pixabay)

In vielen Teilen der Welt sind große Raubtiere aus Gebieten verschwunden, die wir Menschen besiedelt haben. Als Konkurrenz und Bedrohung für die dort lebende Bevölkerung wurden sie massiv bejagt und schließlich verdrängt. Mitterweile jedoch hat ein Bewusstseinswandel stattgefunden, der in vielen Fällen zum Schutz dieser Arten geführt hat – mit dem Ergebnis, das einige von ihnen den verlorenen Lebensraum zurückerobern. Die Probleme, die damit einhergehen können, erleben wir aktuell durch die Ausbreitung der Wölfe in Westeuropa.

Doch wie ergeht es den Raubtieren in Menschennähe? Können Populationen dort langfristig bestehen? Passen die Tiere ihr Verhalten an die besonderen Gegebenheiten an? Eine aktuelle Studie hat diese Fragen am Beispiel der nordamerikanischen Grizzlybären untersucht.

Die Studie

Ein Forschungsteam um die Wissenschaftler Clayton Lamb und Stan Boutin analysierte für die Studie Daten über Grizzlybären aus einem fast 400.000 Quadratkilometer großen Gebiet in den USA. Die Informationen umfassten Todesfälle und Geburten, aber auch Aktivitätszeiten und Bewegungsprofile der Tiere. Die Forscher*innen überprüften, ob diese Daten mit der Stärke des menschlichen Einflusses in den jeweiligen Regionen zusammenhingen. Dabei berücksichtigten sie Faktoren wie die Bevölkerungsdichte, den Grad der Landnutzung oder die Ausdehnung vorhandener Infrastruktur.

Höhere Sterblichkeit in Menschennähe

Die Wissenschaftler*innen stellten fest, dass die Nähe zum Menschen erhebliche Konsequenzen für das Überleben der Bären hatte: Mit dem menschlichen Einfluss stieg die Sterberate drastisch an. Interessanterweise galt das aber nur für junge Bären. Verantwortlich für ihren Tod war in besiedelten Gebieten vor allem der Mensch – sie fielen dem Verkehr zum Opfer oder wurden in Folge von Konflikten mit der Bevölkerung getötet. Hatten die Grizzlys dann ein Alter von 14 Jahren erreicht, glich ihre jährliche Überlebenswahrscheinlichkeit in ländlich besiedelten Gebieten der ihrer Artgenossen in naturbelassenen Gegenden. Was zeichnet diese Bären aus, denen die Koexistenz mit den Menschen gelingt?

Nachtaktivität ermöglicht das Zusammenleben

Die Analyse der Bewegunsdaten zeigte, dass sich die Grizzlybären in Menschnnähe in der Nutzung ihrer Streifgebiete nicht von ihren Artgenossen in der Wildnis unterschieden. Ihre Strategie ist also nicht, stark von Menschen frequentierte Gebiete zu meiden und sich in ruhigere Ecken zurückzuziehen. Der Schlüssel scheint vielmehr in veränderten Aktivitätszeiten zu liegen: Mit Zunahme des menschlichen Einflusses in einem Gebiet waren die dort lebenden Grizzlybären immer stärker nachts unterwegs. Und mit steigender Nachtaktivität sank die Wahrscheinlichkeit für Konflikte mit der Bevölkerung.

Zuwanderung nötig

Einige Bären schaffen es also, das Erwachsenenalter zu erreichen und durch eine gesteigerte Nachtaktivität in der Nähe von Menschen zu leben. Das reicht der Studie zufolge allerdings nicht aus, um die Populationen langfristig zu erhalten. Dass die Grizzlybestände dort trotzdem nicht schrumpfen, liegt daran, dass beständig Bären aus angrenzenden, unbewohnten, naturbelassenen Gebieten zuwandern.

Fazit

Die Studie macht die Schwierigkeiten deutlich, mit denen große Raubtiere wie Grizzlys in Menschennähe konfrontiert sind. Sie können nur dann in bewohnten Gebieten überleben, wenn sie Zusammenstöße mit dem Verkehr ebenso vermeiden wie Konflikte mit der Bevölkerung. Gleichzeitig unterstreichen die Ergebnisse aber auch die große Bedeutung naturbelassener Rückzugsgebiete für den Artenschutz.


Zur Fach-Publikation:
Lamb, T. C.; Ford, A. T.; McLellan, B. N.; Proctor, M. F.; Mowat, G.; Ciarniello, L.; Nielsen, S. E. & Boutin, S. (2020): The ecology of human–carnivore coexistence. Proceedings of the National Academy of Sciences USA.

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