Manipulative Parasiten: Wie Saitenwürmer Gottesanbeterinnen ins Wasser lenken

Parasitische Saitenwürmer bringen Gottesanbeterinnen dazu, sich ins Wasser zu stürzen. Einer aktuellen Studie zufolge liegt das daran, dass die eigentlich wasserscheuen Insekten eine Vorliebe für das charakteristisch schwingende Licht an Gewässern entwickeln.

von Tobias Zimmermann

Springen als Folge von Parasitenbefall ins Wasser: Gottesanbeterinnen
Springen als Folge von Parasitenbefall ins Wasser: Gottesanbeterinnen (Foto: peek_a_boo via Unsplash, zugeschnitten)

Manche Parasiten beeinflussen das Verhalten ihrer Wirte zum eigenen Vorteil. Das gilt auch für Saitenwürmer (Nematomorpha): Diese sind nur wenige Millimeter dünn und entwickeln sich im Körper von Insekten. Wenn sie ausgewachsen sind, bringen sie ihre Wirte dazu, sich ins Wasser zu stürzen – denn nur dort können sich die Würmer fortpflanzen. Eine aktuelle Studie an Gottesanbeterinnen zeigt erstmals, was der Auslöser für die plötzliche „Wasserliebe“ der befallenen Insekten ist: Bestimmte Lichtstrahlen, die von Wasseroberflächen zurückgeworfen werden, scheinen sie anzulocken.

Vorliebe für spezielles Licht

Viele Insekten suchen gezielt nach Gewässern, um darin zum Beispiel ihre Eier abzulegen. Dabei hilft ihnen, dass sie eine Eigenschaft des Lichts wahrnehmen können, die uns Menschen verborgen bleibt: Die Schwingungsrichtung der Lichtwellen – auch Polarisation genannt. Wenn Sonnenlicht auf eine Wasseroberfläche trifft, schwingen die reflektierten Lichtwellen auf eine charakteristische Weise. Ein Forschungsteam um Nasono Obayashi und Takuya Sato vermutete, dass die eigentlich wasserscheuen Gottesanbeterinnen in Folge des Parasitenbefalls von dem polarisierten Licht angezogen werden.

Um diesen Verdacht zu prüfen, setzten die Forschenden zunächst sowohl befallene als auch nicht-befallene Tiere der Art Hierodula patellifera einzeln in die Mitte einer lichtundurchlässigen Röhre. Deren Inneres beleuchteten sie von beiden Enden mithilfe von zwei unterschiedlichen Lichtquellen: Die auf der einen Seite spendete polarisiertes Licht, wie es üblicherweise von Wasseroberflächen ausgeht, und die auf der gegenüberliegenden Seite unpolarisiertes Licht – vergleichbar mit natürlichem Sonnenlicht. Es zeigte sich, dass die befallenen Gottesanbeterinnen wesentlich stärker die Nähe des polarisierten Lichts suchten als ihre wurmfreien Artgenossen.

Spezielles Licht lockt Insekten ins Wasser

In einem Freilandversuch untersuchten die Forschenden die Vorliebe für das charakteristische Licht unter natürlicheren Bedingungen. Dazu platzierten sie Gottesanbeterinnen, die von Saitenwürmern befallen waren, auf Pflanzen in unmittelbarer Nähe zu zwei Wasserbecken. Diese unterschieden sich deutlich in ihrer Tiefe – und je tiefer ein Gewässer ist, desto mehr polarisiertes Licht wirft es zurück. Das Ergebnis: Etwa die Hälfte der Tiere stürzte sich im Verlauf des Experiments ins Wasser – und knapp 90 Prozent von ihnen landeten im tieferen Becken.

Fazit

Den Ergebnissen zufolge machen sich die Saitenwürmer anscheinend das besondere Sehvermögen der Insekten zunutze, um diese zum Sturz ins Wasser zu bewegen. Wie genau die Parasiten die plötzliche Vorliebe ihrer Wirte für die charakteristischen Lichtstrahlen wecken, ist eine spannende Frage für zukünftige Untersuchungen.


Zur Fach-Publikation:
Obayashi, N.; Iwatani, Y.; Sakura, M.; Tamotsu, S.; Chiu, M.-C. & Sato, T. (2021): Enhanced polarotaxis can explain water-entry behaviour of mantids infected with nematomorph parasites. Current Biology 31 PR777–R778.

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