Im Kampf gegen die Wilderei werden Spitzmaulnashörnern in afrikanischen Wildreservaten ihre begehrten Hörner entfernt. Doch laut einer aktuellen Studie hat diese radikale Maßnahme Nebenwirkungen: Die Streifgebiete der Tiere schrumpfen und Begegnungen mit Artgenossen werden weniger wahrscheinlich.
Spitzmaulnashörner (Diceros bicornis) sind vom Aussterben bedroht. Auf etwa 6.000 Tiere wird ihr Bestand heute geschätzt – 1960 waren es noch 100.000. Verantwortlich für ihren dramatischen Rückgang ist die Wilderei: Die Tiere werden für ihre Hörner getötet, die auf dem Schwarzmarkt enorme Summen einbringen.
Um die verbliebenen Spitzmaulnashörner zu schützen, greift man in afrikanischen Wildreservaten seit einigen Jahren zu einem drastischen Mittel: Die Tiere werden betäubt und ihre Hörner abgesägt – damit sie als Ziel für die illegale Jagd unattraktiv werden. Eine aktuelle Studie zeigt nun allerdings, dass die Enthornung beträchtliche Auswirkungen auf das Soizalleben der Tiere hat.
Vor der Enthornung vs. nach der Enthornung
Im Rahmen der Studie analysierte ein Forschungsteam um Vanessa Duthé, Sergio Rasmann und Emmanuel Defossez Beobachtungsdaten von 368 Spitzmaulnashörnern in zehn südafrikanischen Reservaten aus den Jahren 2005 bis 2020. Die Enthornung der Tiere in diesen Gebieten startete im Jahr 2016, sodass die Forschenden die Konsequenzen der Maßnahme direkt verfolgen konnten.
Kleinere Streifgebiete und ein dünneres soziales Netz
Spitzmaulnashörner leben weitgehend einzelgängerisch und bewegen sich in mehrere Quadratkilometer großen Streifgebieten (englischer Fachbegriff: „home range“). Die Forschenden stellten fest: Nachdem ein Tier enthornt wurde, nahm die Größe seines Streifgebiets beträchtlich ab – im Durchschnitt um fast 50 Prozent.
In drei der untersuchten Nashornpopulationen nahmen die Forschenden zudem die soziale Struktur der Tiere in den Blick. Dabei berechneten sie auf der Grundlage der Überlappung ihrer Streifgebiete, wie oft es vermutlich zu Interaktionen zwischen den verschiedenen Individuen kommt. Es zeigte sich: Nach der Enthornung nahm die Wahrscheinlichkeit für Kontakt zwischen den Tieren deutlich ab.
Fazit
Wie lassen sich die Ergebnisse der Studie erklären? Die Forschenden halten es für möglich, dass sich enthornte Nashörner auf kleinere Gebiete zurückziehen, weil sie wegen ihrer fehlenden Waffen Konfrontationen mit Artgenossen vermeiden. Doch auch wenn sich bislang nicht genau sagen lässt, wie die beobachteten Veränderungen zustande kommen: Klar ist, dass sich die Enthornung massiv auf das soziale Leben der Spitzmaulnashörner auswirkt. Insofern empfehlen die Forschenden, die langfristigen Folgen der Maßnahme genau im Blick zu behalten – auch wenn sie kurzfristig dabei helfen könnte, die Spitzmaulnashörner vor dem Aussterben zu retten.
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