Ein Hormon beeinflusst, ob Wanderdrosseln fremde Eier in ihrem Nest bemerken

Brutparasiten legen ihre Eier in Nester anderer Vögel und ersparen sich so die Brutpflege. Wenn Wirtvögel ein solches „Kuckucksei“ bemerken, befördern sie es oftmals aus dem Nest. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Hormone bei diesem Verhalten eine entscheidende Rolle spielen.

von Tobias Zimmermann

Wanderdrosseln erkennen "Kuckuckseier"
Wanderdrosseln erkennen „Kuckuckseier“ (Foto: David Mark via Pixabay)

Einige Vogelarten nutzen eine außergewöhnliche Strategie, um die eigenen Jungtiere behütet aufwachsen zu lassen, ohne selbst für sie zu sorgen. Dabei legen die Mütter ihre Eier in fremde Nester und überlassen das Ausbrüten und die spätere Aufzucht den unfreiwilligen Ersatzeltern – ihr Vorgehen ist dabei oftmals äußerst ausgefeilt.

Für die Wirtvögel hat dies erhebliche negative Konsequenzen. Manche Arten sind allerdings in der Lage, die ungewollte Elternschaft auf einfache Weise abzuwenden: Sie erkennen das fremde Ei und befördern es kurzerhand aus dem Nest. Eine aktuelle Studie der Wissenschaftler Mikus Abolins-Abols und Mark Hauber zeigt, dass ein Hormon dieses Verhalten entscheidend beeinflusst.

Eine Wanderdrossel entfernt das Ei eines Braunkopf-Kuhstärlings aus dem Nest (Video: Analía V. López).

Die Studie

Die Forscher führten ihre Untersuchung an wildlebenden Wanderdrosseln (Turdus migratorius) in der US-amerikanischen Stadt Urbana durch. Diese Art ist gelegentlich von Brutparasitismus durch den Braunkopf-Kuhstärlings (Molothrus ater) betroffen. In ihrer Studie erforschten die Wissenschaftler, ob Corticosteron eine Rolle bei der Reaktion von Wanderdrossel-Weibchen auf „Kuckuckseier“ spielt.

Corticosteron gehört zu den Glucocorticoiden, die als Hormone bei Wirbeltieren (also auch bei uns Menschen) wichtige Körperfunktionen und Verhaltensweisen steuern. Sie werden in anstrengenden und herausfordernden Situationen vermehrt ins Blut ausgeschüttet. Die erhöhten Konzentrationen lösen wiederum eine Vielzahl unterschiedlicher Reaktionen im Körper aus.

Zunächst fingen Abolins-Abols und Hauber einige brütende Wanderdrossel-Weibchen ein. Einem Teil der Tiere verabreichten sie einen Wirkstoff zur Senkung des Corticosteron-Spiegels. Die übrigen Tiere erhielten lediglich eine Flüssigkeit, die keinen Wirkstoff enthielt. Eine solche „scheinbehandelte“ Kontrollgruppe war in diesem Fall besonders wichtig. Nur dadurch ließ sich sicherstellen, dass der eingesetzte Wirkstoff und nicht allein das Einfangen oder die Injektion das Verhalten der Vögel beeinflusste.

Unmittelbar danach entließen die Wissenschaftler die Weibchen wieder in die Freiheit, um am folgenden Tag ein künstliches Ei in ihre Nester zu schmuggeln. Die Attrappen hatten sie mithilfe eines 3D-Druckers angefertigt und den Eiern des Braunkopf-Kuhstärlings nachempfunden.

Ein Nest mit drei Wanderdrosseleiern und der Ei-Attrappe (Foto: Mark Hauber)

Das Ergebnis

Als Abolins-Abols und Hauber einen Tag später überprüften, ob das zusätzliche Ei noch im Nest lag, bemerkten sie einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Versuchsgruppen: Rund 60 Prozent der scheinbehandelten Tiere hatten das Ei aus dem Nest befördert. Bei den Vögeln mit reduzierten Corticosteron-Werten waren es nur 25 Prozent.

Fazit

Die Studie belegt eindrucksvoll, dass die Reaktion der Wanderdrosseln auf „Kuckuckseier“ hormonell reguliert wird: Wird ihr Corticosteron-Spiegel künstlich gesenkt, entfernen sie das fremde Ei seltener aus dem Nest. Ein faszinierendes Beispiel für die weitreichenden Auswirkungen, die Hormone auf das Verhalten haben können.


Zur Fach-Publikation:
Abolins-Abols, M. & Hauber, M. E. (2020): Endocrine regulation of egg rejection in an avian brood parasite host. Biology Letters 16.

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