Große Pandas wälzen sich in Pferdemist – und sind dadurch weniger kälteempfindlich

Eine aktuelle Studie zeigt, dass sich wildlebende Große Pandas bei niedrigen Temperaturen ausgiebig in frischem Pferdemist wälzen. Den Ergebnissen zufolge machen sich die Bären dabei spezielle Inhaltsstoffe der Ausscheidungen zunutze, durch die sie weniger empfindlich auf Kälte reagieren.

von Tobias Zimmermann

Ein Qinling-Panda
Ein Qinling-Panda (Foto: AilieHM via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 4.0)

Viele Insekten machen sich Ausscheidungen anderer Tiere zunutze – wie etwa Asiatische Honigbienen, die damit ihre Nester zum Schutz vor Hornissen bekleben. Große Pandas (Ailuropoda melanoleuca) gehen dabei noch deutlich weiter. Wie aktuelle Beobachtungen zeigen, haben Vertreter einer im zentralchinesischen Qin-Ling-Gebirge lebenden Unterart eine ausgeprägte Vorliebe für die Ausscheidung einer anderen Spezies: Sie wälzen sich ausgiebig in frischem Pferdemist und reiben sogar ihre Körper damit ein. Das liegt anscheinend an speziellen Inhaltsstoffen der Exkremente, die sie weniger empfindlich für Kälte machen.

Qinling-Pandas wälzen sich in Pferdemist
Dieser Panda hat sich gerade in Pferdemist gewälzt (Foto: Fuwen Wei)

Ausgiebiges Pferdemistwälzen

Bei langjährigen Beobachtungen wildlebender Pandas im chinesischen Foping National Nature Reserve machte ein Team um die Wissenschaftler Wenliang Zhou, Ren Lai und Fuwen Wei eine erstaunliche Entdeckung: Sie beobachteten mehrfach, wie mehrere Tiere nicht nur an ausliegendem Pferdemist schnüffelten, sondern auch ihre Wangen daran rieben, sich darin suhlten und sogar ihren ganzen Körper damit einrieben. Um das ungewöhnliche Verhalten systematisch zu erfassen, installierten die Forschenden für zwölf Monate mehrere Infrarotkameras an Wegesrändern innerhalb des Reservats. Damit erfassten sie insgesamt 38 Mal, wie sich männliche und weibliche Pandas teilweise minutenlang in Pferdemist wälzten.

Auf frischer Tat ertappt (Video: Fuwen Wei)

Frischer Mist bevorzugt

Die Aufnahmen ergaben, dass die Pandas es insbesondere auf frische Exkremente der Huftiere abgesehen hatten. Bei fast jedem aufgezeichneten Pferdemistwälzen waren die Ausscheidungen weniger als zehn Tage alt. Älteren Kot ignorierten die Tiere dagegen zumeist. Woran könnte das gelegen haben? Wie eine Analyse des Forschungsteams zeigte, beeinflusste die Frische des Pferdemists dessen chemische Zusammensetzung. Der frische Pferdemist enthielt erhebliche Mengen zweier Inhaltsstoffe, die in älteren Exkrementen nur spärlich vorkamen.

Spezielle Inhaltsstoffe wecken außergewöhnliche Vorliebe

Mit diesen Erkenntnissen im Gepäck untersuchten die Forschenden im Pekinger Zoo, ob die spezifischen Inhaltsstoffe des frischen Pferdedungs eine entscheidende Rolle für das Mistwälzen spielten. Dazu platzierten sie im Gehege der dort lebenden Pandas Heuhaufen, die sie zuvor mit einer Flüssigkeit besprüht hatten. Enthielt diese Flüssigkeit die charakteristischen Inhaltstoffe des frischen Pferdemists, beschäftigten sich die Tiere ausgiebig mit dem Heu – sie beschnupperten es gründlich und rieben sich teilweise damit ein. War das Heu dagegen nur mit Wasser oder mit Substanzen versehen, die in vergleichbarer Menge sowohl in frischem als auch in altem Pferdemist vorkommen, interessierten sich die Pandas kaum dafür. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die beiden Inhaltsstoffe des Frischdungs die außergewöhnliche Vorliebe der Pandas wecken.

Inhaltsstoffe des Pferdemists senken das Kälteempfinden

Anschließend erforschten die Wissenschaftler*innen, welchen Zweck das Mistwälzen erfüllt. Dabei brachte sie ein auffälliges Muster bei den ausgewerteten Kamerabildern auf die richtige Spur: Die Pandas hatten sich ausschließlich von November bis April im Pferdemist gewälzt – das sind die kältesten Monate im Untersuchungsgebiet. Tatsächlich ergab eine gezielte Auswertung, dass sich die Tiere häufiger und länger im Pferdemist suhlten, je niedriger die Umgebungstemperatur war.

Das brachte das Forschungsteam auf eine Idee: Könnte es sein, dass die Inhaltsstoffe des frischen Pferdemists das Kälteempfinden der Tiere beeinflussten? Aufgrund des Schutzstatus der Pandas überprüften die Forschenden diese Hypothese an Mäusen im Labor. Dazu trugen sie auf die Pfoten einiger Mäuse Wasser auf, das die beiden charakteristischen Inhaltsstoffe des Frischmists enthielt. Die Pfoten anderer Mäuse benässten sie zum Vergleich nur mit Wasser. Anschließend setzten sie die Tiere in einen Kunststoffkäfig, dessen Bodentemperatur in einer Hälfte 10 °C und in der anderen Hälfte 28 °C betrug. Das eindrucksvolle Ergebnis dieses Versuchs: Während die „wasserbehandelten“ Nager den kälteren Untergrund beinahe vollständig mieden, hielten sich die mit dem Frischmistwirkstoff dort wesentlich länger auf. Demnach sorgen die nachgewiesenen Inhaltsstoffe des frischen Pferdemists offenbar tatsächlich dafür, dass die Tiere weniger empfindlich auf Kälte reagieren. 

Fazit

Die Ergebnisse liefern eine hochspannende Erklärung für die bemerkenswerte Angewohnheit der Großen Pandas. Die Bären machen sich bei niedrigen Temperaturen offenbar spezifische Inhaltsstoffe von frischem Pferdemist zunutze, die die Kälte für sie erträglicher machen. Das Forschungsteam fand auch Hinweise darauf, wie ein solches Zusammenspiel zwischen Pandas und Pferden entstehen konnte: Durch das Bergland verlaufen historische Handelswege, auf denen Pferde bereits seit tausenden Jahren als tierische Transportmittel verkehren – und dadurch auch den begehrten Mist für die Pandas liefern.


Zur Fach-Publikation:
Zhou, W.; Yang, S.; Lib, B.; Nie, Y.; Luo, A.; Huang, G.; Liu, X.; Lai, R. & Wei, F. (2020): Why wild giant pandas frequently roll in horse manure. Proceedings of the National Academy of Sciences USA.

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