In einer aktuellen Studie brachten Forschende einzelnen Hummeln bei, auf eine bestimmte Art an Nahrung zu gelangen. Dieses spezifische Vorgehen breitete sich anschließend in deren Kolonien aus – indem die Tiere durch Beobachtung voneinander lernten.
Auch bei Tieren gibt es Traditionen: Verhaltensweisen, die durch soziales Lernen weitergegeben werden. Beispiele dafür finden sich bei verschiedenen Säugetier- und Vogelarten, darunter das Schütteln von Schneckenhäusern durch Delfine, das Öffnen von Mülltonnendeckeln durch Kakadus oder unterschiedliche Beutevorlieben bei benachbarten Bonobos. Eine experimentelle Studie an Erdhummeln (Bombus terrestris) zeigt nun eindrucksvoll, dass sich erlernte Verhaltensweisen auch in Insektengemeinschaften verbreiten können.
Eine Puzzlebox mit zwei Lösungen
Im Rahmen der Untersuchung kam eine Apparatur zum Einsatz, deren Prinzip sich bereits in Experimenten mit Säugetieren und Vögeln bewährt hat: Eine sogenannte „Puzzlebox“, bei der es verschiedene Wege gibt, um an darin befindliche Nahrung zu gelangen. In diesem Fall musste eine durchsichtige Scheibe gedreht werden, damit der Zugang zu einer Zuckerlösung frei wurde. Das konnte jedes Tier auf zwei unterschiedliche Weisen bewerkstelligen: durch das Schieben eines roten Reglers im Uhrzeigersinn oder durch das Schieben eines blauen Reglers gegen den Uhrzeigersinn.
Die Forschenden um Alice Bridges und Lars Chittka brachten jeweils einer Hummel aus sechs unterschiedlichen Kolonien bei, die Puzzlebox zu lösen. Dabei trainierten sie drei Tiere auf den „roten“ Lösungsweg und drei Tiere auf den „blauen“. Anschließend stellten sie den geschulten Hummeln und ihren Koloniemitgliedern mehrere Puzzleboxen zur Verfügung und beobachteten die Tiere für einige Tage.
Ein Lösungsansatz breitet sich aus
Nach und nach gelang es immer mehr Hummeln, an die Zuckerlösung in den Puzzleboxen zu gelangen. Dabei zeigte sich: In durchschnittlich 98,6 % der Fälle öffneten die Hummeln einer Kolonie die Puzzleboxen auf die Art, welche die Forschenden der ihnen zugehörigen Hummel zuvor beigebracht hatten – drei Kolonien schoben also fast ausnahmslos den roten Regler, und drei Kolonien den blauen Regler.
Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass die Hummeln nicht etwa selbst herausfanden, wie sie an die Nahrung gelangten, sondern durch Beobachtung von ihren geschulten Artgenossinnen lernten. Dafür spricht auch der Vergleich mit Kolonien, denen die Forschenden Puzzleboxen zur Verfügung stellten, ohne dass sie zuvor eine Hummel auf ein bestimmtes Vorgehen trainiert hatten: Auch dort gelangten im Laufe der Zeit zwar Tiere an die Zuckerlösung – insgesamt geschah dies jedoch wesentlich seltener.
Fazit
Die Studie zeigt, dass sich Verhaltensweisen in Hummelkolonien ausbreiten können, indem die Tiere voneinander lernen – dass sich Traditionen also prinzipiell auch in Insektengemeinschaften etablieren können. Das wirft die Frage auf, inwiefern solche kulturellen Phänomene bei diesen Tieren unter natürlichen Bedingungen eine Rolle spielen.
Die Forschenden verweisen darauf, dass Erdhummelkolonien nur ein Jahr überdauern, weshalb zumindest das Entstehen mehrjähriger Traditionen bei ihnen eher unwahrscheinlich ist. Doch bei sozialen Insekten mit Kolonien, die für mehrere Jahre bestehen, halten sie das durchaus für möglich – vorausgesetzt, dass die Tiere in Bezug auf die Lernfähigkeit mit den Erdhummeln mithalten können.
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