Aga-Kröten wurden einst zur Schädlingsbekämpfung nach Australien gebracht. Seitdem vermehren sie sich dort rasant. In der Folge machen ihre Kaulquappen sich häufig gegenseitig die Nahrung streitig – was offenbar dazu geführt hat, dass diese verstärkt zum Kannibalismus neigen.
Aga-Kröten (Rhinella marina) sind eigentlich in Südamerika zuhause. Vor 85 Jahren wurden jedoch einige Exemplare auf Zuckerrohrplantagen in Australien ausgesetzt – als sogenannte „biologische Schädlingsbekämpfer“. Dank dem Fehlen natürlicher Feinde haben sich die Amphibien dort in rasantem Tempo vermehrt. Ihre Populationsdichte liegt in manchen australischen Gebieten inzwischen sogar um das Zehnfache höher als in ihrer ursprünglichen Heimat. Das hat einer aktuellen Studie zufolge Konsequenzen: Als mutmaßliche Folge der intensiven Konkurrenz haben die Kaulquappen einen ausgeprägten Hang zum Kannibalismus entwickelt.
Konkurrenz unter Kaulquappen
Die australischen Aga-Kröten legen ihre mehrere tausend Eier umfassenden Laichfäden meist in temporäre Gewässer, in denen sich die Kaulquappen später vor allem von Algen oder abgestorbenem organischen Material ernähren. Doch auch vor jüngeren Artgenossen machen sie nicht Halt: Sie vertilgen sowohl Eier als auch frisch geschlüpfte Larven und vernichten so mitunter mehr als 99 Prozent eines Geleges.
In Australien ist die kannibalistische Lebensweise der Kaulquappen schon länger bekannt. Im Rahmen einer aktuellen Studie gingen Forschende um Jayna DeVore und Simon Ducatez der Frage auf den Grund, ob es sich dabei um eine Besonderheit der Tiere im neuen Verbreitungsgebiet handelt.
Invasive Kaulquappen neigen stärker zum Kannibalismus
In einem ersten Experiment verglich das Team die Neigung zum Kannibalismus zwischen den Nachkommen australischer und südamerikanischer Aga-Kröten. Dazu setzten die Wissenschaftler*innen die Kaulquappen für einen Tag mit jeweils zehn frisch geschlüpften Artgenossen zusammen. Es zeigte sich: Der australische Krötennachwuchs vertilgte deutlich mehr Schlüpflinge als der südamerikanische.
Gezielter Kannibalismus in der neuen Heimat
In einem zweiten Experiment untersuchten die Forschenden, ob die australischen und südamerikanischen Nachkommen unterschiedlich stark von jüngeren Artgenossen angezogen werden. Dazu hielten sie Gruppen von 50 Kaulquappen in großen Becken mit frei verfügbarer pflanzlicher Nahrung. Zusätzlich platzierten sie dort jeweils zwei Fallen: In einer befanden sich 300 Aga-Kröten-Schlüpflinge (geschützt durch ein feines Gitternetz), die andere war leer.
Nach sechs Stunden überprüften die Forschenden, wie viele der ursprünglich freischwimmenden Tiere sich in welcher der Fallen befanden. Dabei ergab sich bei den südamerikanischen Kaulquappen kein Unterschied – sie landeten genauso häufig in der leeren Falle wie in der, die mit jüngeren Artgenossen bestückt war. Ganz anders bei ihren australischen Verwandten: Knapp 90 Prozent der gefangenen Tiere fanden die Forschenden in der Falle mit den Schlüpflingen. Die australischen Kaulquappen werden also von den Krötenlarven regelrecht angezogen – was darauf schließen lässt, dass sie diese nicht bloß bei Gelegenheit, sondern ganz gezielt verspeisen.
Fazit
Die Ergebnisse der Studie belegen, dass die australischen Aga-Kröten-Kaulquappen wesentlich stärker zum Kannibalismus neigen ihre südamerikanischen Verwandten. Die Forschenden vermuten, dass es sich dabei um eine Anpassung an die hohe Populationsdichte im neuen Verbreitungsgebiet handelt. Ihrer Einschätzung nach dient der Kannibalismus in erster Linie nicht der Ernährung, sondern der Konkurrenzvermeidung: Indem die älteren Kaulquappen die Schlüpflinge fressen, verhindern sie, dass diese ihnen später die oftmals knappe Nahrung streitig machen.
Interessanterweise hat sich in Folge der Bedrohung durch die Artgenossen offenbar bereits die Entwicklung der australischen Krötenlarven beschleunigt. Ein Experiment des Forschungsteams ergab: Sie erreichen deutlich schneller als ihre australischen Verwandten ein Stadium, ab dem ihnen die älteren Kaulquappen nichts mehr anhaben können.
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