Krieg der Eichelspechte: Weibchen liefern sich tagelange Machtkämpfe vor Publikum

Wenn ein Platz in einem Territorium frei wird, kämpfen Eichelspechte erbittert darum, wer diesen besetzen darf. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Vögel dabei einen enormen Aufwand betreiben – und sei es nur, um die Auseinandersetzungen zwischen anderen zu beobachten.

von Tobias Zimmermann

Eichelspechte legen über Generationen Vorratsspeicher an.
Ein Eichelspecht an einem Vorratsspeicher, den die Tiere über Generationen anlegen (Foto: Tara Lemezis via Flickr, Lizenz: CC BY-ND 2.0)

Eichelspechte (Melanerpes formicivorus) leben in sozialen Verbänden. Diese bestehen meist aus mehreren Männchen und Weibchen, die sich miteinander fortpflanzen. Zusätzlich umfasst die Gruppe häufig Nachkommen aus den vorherigen Jahren, die sich nicht an der Fortpflanzung beteiligen. In einer solchen Gruppe bewohnen die Vögel ein Territorium, das sie das ganze Jahr über vehement gegen Eindringlinge und Konkurrenten verteidigen.

Unter besonderem Schutz steht dabei ein außergewöhnlicher Vorratsspeicher, den die Spechte gemeinsam anlegen. Dazu hacken sie im Herbst Löcher in einen Baumstamm, in denen sie Eicheln aufbewahren. Ein solcher Baum entwickelt sich über Generationen zu einem riesigen Speicher, in dem tausende Eicheln Platz finden. Die Tiere bedienen sich an den angelegten Vorräten, wenn die Nahrung knapp wird und füttern damit auch ihren Nachwuchs.

Kampf um begehrte Positionen

Es kommt immer wieder vor, dass die weiblichen oder männlichen Brutvögel einer Gruppe sterben oder abwandern. Dies ist besonders für die zuvor nicht-brütenden Vögel der umliegenden Gruppen eine aussichtsreiche Gelegenheit, ein Territorium zu erobern und sich mit den dort ansässigen Tieren fortzupflanzen. Daher entbrennen zwischen Artgenossen desselben Geschlechts häufig erbitterte Machtkämpfe um die „freie Stelle“, die mehrere Tage andauern können. Um sich dabei erfolgreich durchzusetzen, bilden die Spechte üblicherweise Koalitionen aus drei bis vier Tieren. Meist beteiligen sich mehr als zehn solcher „Kampftruppen“ an den intensiven Auseinandersetzungen.

Eine aktuelle Studie zeigt, dass Eichelspechte sich während des Wettstreits bis zu zehn Stunden pro Tag in den umkämpften Gebieten aufhalten – und sogar mehrere Kilometer zurücklegen, nur um die Machtkämpfe zu beobachten.

Die Studie

Die Wissenschaftler Sahas Barve und Eric Walters und ihr Forschungsteam versahen 36 freilebende Eichelspechte in Kalifornien mit Sendern. Mit zugehörigen Empfängern nahe der Vorratsspeicher verschiedener Territorien erfassten sie minütlich den Aufenthaltsort der Tiere. So verfolgten sie innerhalb eines Jahres, wie sich die Vögel während Machtkämpfen in drei verschiedenen Territorien verhielten, bei denen es die freigewordenen Positionen weiblicher Brutvögel zu besetzen galt.

Die Ergebnisse

Die Spechte zeigten bei Aussicht auf eine Position als Brutvogel immense Einsatzbereitschaft: Manche Weibchen suchten das umkämpfte Gebiet an vier aufeinanderfolgenden Tagen auf und verweilten dort täglich mehr als zehn Stunden!

Interessanterweise lockten die Machtkämpfe auch Artgenossen an, die sich selbst nicht um die freigewordene Position bemühten: Sowohl Weibchen, die bereits ein eigenes Territorium innehatten, als auch zahlreiche Männchen besuchten regelmäßig den Ort des Geschehens – teilweise ebenfalls an mehreren Tagen und mehrere Stunden täglich. Dafür legten sie enorme Distanzen bis über drei Kilometer zurück.

Was hat es mit diesem „neugierigen“ Publikum auf sich? Frühere Studien haben gezeigt, dass Eichelspechte regelmäßige Streifzüge durch umliegende Territorien unternehmen und die Zusammensetzung der dort ansässigen Gruppen genauestens verfolgen. Durch die intensive Beobachtung der Machtkämpfe sammeln die Tiere vermutlich wichtige Informationen über die Artgenossen in ihrer Umgebung. Diese scheinen so bedeutend zu sein, dass viele Spechte dafür ihr eigenes Territorium für eine beachtliche Zeit unbeaufsichtigt zurücklassen.

Fazit

Die Ergebnisse zeigen, dass Eichelspechte einen enormen Aufwand betreiben, wenn sich ihnen die Chance auf eine vakante Position innerhalb eines wertvollen Territoriums bietet. Darüber hinaus nehmen unbeteiligte Artgenossen erhebliche Distanzen auf sich, um die intensiven Machtkämpfe zu beobachten. Auf diese Weise gewinnen sie vermutlich wichtige Erkenntnisse über die „Nachbarschaft“. Ob diese langfristig tatsächlich einen Vorteil bringen, gilt es in zukünftigen Studien herauszufinden.


Zur Fach-Publikation:
Barve, S.; Lahey, A. S.; Brunner, R. M.; Koenig, W. D. & Walters, E. L. (2020): Tracking the warriors and spectators of acorn woodpecker wars. Current Biology 30: R963–R983.

Wir freuen uns über Anmerkungen, Fragen oder Feedback im Kommentarbereich! Allerdings behalten wir uns vor, Kommentare zu löschen, die unserer Meinung nach rechtswidrig oder aus anderen Gründen unangemessen sind. Bitte beachten Sie auch die Hinweise zur Kommentarfunktion in unserer Datenschutzerklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert