Die Population wächst, aber nicht ihr Lebensraum: Mehr Konflikte zwischen Berggorilla-Gruppen

Die Zahl der Berggorillas hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Doch ihr Lebensraum ist begrenzt. Eine aktuelle Studie beschreibt die Folgen einer zunehmenden Gruppendichte: Es kommt häufiger zu Konflikten zwischen sozialen Verbänden – bei denen mitunter Jungtiere getötet werden.

von Niklas Kästner

Die Zahl der Berggorillas wächst - aber nicht ihr Lebensraum
Die Zahl der Berggorillas wächst – aber nicht ihr Lebensraum (Foto: Joachim Huber via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 2.0, zugeschnitten)

Die Bemühungen zu ihrem Schutz zahlen sich aus: Berggorillas (Gorilla beringei beringei) sind die einzigen Menschenaffen, deren Zahl seit Jahrzehnten zunimmt. Was allerdings nicht wächst, ist ihr Lebensraum. Das hat einer aktuellen Studie zufolge Konsequenzen: In einem Teil der Population kam es in den letzten Jahren vermehrt zu aggressiven Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppen – denen vor allem Jungtiere zum Opfer fielen

Die Berggorillas des Virunga-Massivs

Berggorillas leben nur noch in zwei voneinander getrennten Gebieten Zentralafrikas. Eins davon ist das 455 Quadratkilometer umfassende Virunga-Massiv. Die Menschenaffen werden dort seit mehr als 50 Jahren erforscht – beginnend mit den Beobachtungen der bekannten Primatologin Dian Fossey. Während im Jahr 1973 nur noch 260 bis 290 Berggorillas im Virunga-Massiv lebten, stieg ihre Zahl dank intensiver Schutzbemühungen auf mindestens 604 im Jahr 2016. Das ist ein Grund zur Freude – bringt aber gleichzeitig auch Probleme mit sich. Denn das Schutzgebiet der Gorillas ist umgeben von menschlichen Siedlungen, die den Lebensraum der Tiere begrenzen. Welche Folgen eine weiter zunehmende Populationsdichte haben könnte, verdeutlichen Beobachtungen von Wissenschaftler*innen des Dian Fossey Gorilla Funds.

Die Studie

Das Forschungsteam um Damien Caillaud, Winnie Eckardt und Tara Stoinski beschreibt in einer Studie die Entwicklung von ursprünglich drei Virunga-Berggorilla-Gruppen. Im Jahr 2006 waren diese auf eine ungewöhnliche Größe angewachsen: Sie umfassten zwischen 24 und 65 Tiere – bei einer durchschnittlichen Gruppengröße von 10 Tieren im Virunga-Massiv.

In den Jahren darauf teilten sich diese Gruppen und es kam immer wieder zur Neubildung sozialer Verbände. In der Folge erhöhte sich die Gruppendichte im Studiengebiet erheblich. Gleichzeitig gab es dort auch mehr einzelne erwachsene Männchen. Die Konsequenz: Es kam wesentlich häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen benachbarten Gruppen bzw. Einzeltieren. Bei solchen Konflikten attackieren erwachsene Männchen nicht selten die Jungtiere der gegnerischen Partei. Entsprechend stieg die Häufigkeit der Kindstötung im Studiengebiet erheblich an: Zwischen 2006 und 2016 kamen 4,5 Mal mehr junge Berggorillas bei Gruppenkonflikten ums Leben als im entsprechenden Zeitraum davor. 

Fazit

Die Ergebnisse des Forschungsteams lassen die Probleme erahnen, die entstehen können, wenn die Populationsdichte an die Kapazitätsgrenze eines Schutzgebietes stößt und die Tiere keine Möglichkeit haben, daraus abzuwandern. Zwar stellten die Wissenschaftler*innen bei den Berggorillas im Virunga-Massiv fest, dass die zunehmende Zahl der getöteten Jungtiere das Populationswachstum abschwächt – eine negative Rückkopplung sozusagen. Doch sie sprechen zum Schluss ihrer Studie einen wichtigen Punkt an: Welche ethischen Implikationen hat das den Tieren daraus entstehende Leid? Das ist eine ganz wesentliche Frage, die als Konsequenz schrumpfender Lebensräume für den Artenschutz in Zukunft immer wichtiger werden dürfte.


Zur Fach-Publikation:
Caillaud, D.; Eckardt, W.; Vecellio, V.; Ndagijimana, F.; Mucyo, J.-P.; Hirwa, J.-P. & Stoinski, T. (2020): Violent encounters between social units hinder the growth of a high-density mountain gorilla population. Science Advances 6: eaba0724.

Wir freuen uns über Anmerkungen, Fragen oder Feedback im Kommentarbereich! Allerdings behalten wir uns vor, Kommentare zu löschen, die unserer Meinung nach rechtswidrig oder aus anderen Gründen unangemessen sind. Bitte beachten Sie auch die Hinweise zur Kommentarfunktion in unserer Datenschutzerklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert