Frisch gemähte Wiesen bieten Weißstörchen ideale Bedingungen, um reiche Beute zu machen. Doch wie finden sie die begehrten Nahrungsgründe? Eine aktuelle Studie zeigt: Der Duft des geschnittenen Grases weist ihnen den Weg.
Wo Weißstörche (Ciconia ciconia) leben, lässt sich häufig ein besonderes Phänomen beobachten: Kaum hat die Mahd einer Wiese begonnen, sind die großen Vögel auch schon zur Stelle. Oftmals schreiten sie direkt hinter den Landmaschinen her – und müssen ihre aufgestörte Beute im geschnittenen Gras bloß noch einsammeln.
Doch woher wissen die Störche, wo in ihrer Umgebung gerade gemäht wird? Dieser Frage ging ein Forschungsteam um Martin Wikelski und Jonathan Williams in einer aktuellen Studie auf den Grund.
Erste Beobachtungen aus dem Flugzeug
Die Forschenden beobachteten etwa 70 Störche einer Brutkolonie in Böhringen am Bodensee. Um dabei den Überblick zu behalten, kreisten sie mit einem Flugzeug über dem Gebiet und beobachteten die menschlichen und tierischen Aktivitäten auf den Wiesen.
So stellten sie ein interessantes Muster fest: Begann auf einer Grasfläche die Mahd, machten sich längst nicht alle Störche im Umkreis auf den Weg. Stattdessen starteten bloß diejenigen, die sich in Windrichtung befanden – und das mitunter aus mehreren Kilometern Entfernung.
Daraus schlossen die Forschenden, dass die Störche die Gelegenheit zu reicher Beute keineswegs zufällig aus der Luft entdeckten. Vielmehr legte die Beobachtung nahe, dass die Vögel dem frisch geschnittenen Gras durch den vom Wind transportierten Geruch auf die Spur kamen. Dazu passte auch, dass sie umso später aufbrachen, je weiter entfernt sie von der Wiese waren.
Ein Experiment
Mit einem Experiment überprüften die Forschenden ihre Hypothese: Auf vier ungemähten Wiesen versprühten sie aus einem tieffliegenden Ultraleichtflugzeug ein Gemisch aus Wasser und drei chemischen Verbindungen, die den Duft frisch geschnittenen Grases hauptsächlich ausmachen. Das Ergebnis: Neun Störche bzw. Storchgruppen näherten sich unabhängig voneinander den Grasflächen – und alle hatten sich zuvor in Windrichtung aufgehalten. Versprühten die Wissenschaftler*innen hingegen Wasser ohne jegliche Zusätze, ließ sich kein Storch blicken.
Fazit
Durch gezielte Beobachtungen und ein geschicktes Experiment entschlüsselten die Forschenden, wie Weißstörche zu frisch gemähten Wiesen finden: Sie folgen dem Duft des geschnittenen Grases. Dieses Ergebnis ist bemerkenswert – denn lange hat man dem Geruchssinn im Leben der allermeisten Vögel keine große Bedeutung beigemessen. Das Beispiel der Störche ist eins von mehreren aus der jüngeren Forschung, die diese Annahme ins Wanken bringen.
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