Vögel meiden Pflanzen, auf denen sie häufig giftige Raupen finden

Die auffällig gefärbten Raupen des Jakobskrautbären sind giftig – das lernen viele Vögel rasch. Und nicht nur das: Einer aktuellen Studie zufolge meiden sie sogar Pflanzen, auf denen die ungenießbaren Schmetterlingslarven hauptsächlich leben.

von Niklas Kästner

Auch bei Rotkehlchen stehen ungenießbare Raupen für gewöhnlich nicht auf der Speisekarte.
Auch bei Rotkehlchen stehen die ungenießbaren Raupen für gewöhnlich nicht auf der Speisekarte (Foto: Jill Wellington via Pixabay, zugeschnitten)

Das leuchtend gelb blühende Jakobs-Greiskraut und seine nahen Verwandten (Senecio spp.) sind für viele Tiere giftig. Das gilt allerdings nicht für den Nachwuchs des Jakobskrautbären (Tyria jacobaeae). Seine Raupen ernähren sich nicht nur hauptsächlich von Greiskräutern, sondern machen sich deren chemische Waffen sogar zunutze: Sie speichern die für sie ungefährlichen Giftstoffe, wodurch sie für einen großen Teil ihrer möglichen Fressfeinde selbst ungenießbar werden.

Da die Raupen anhand ihrer kontrastreichen Warnfärbung gut zu erkennen sind, lernen insektenfressende Vögel schnell, dass sie von diesen Tieren besser die Schnäbel lassen. Einer aktuellen Studie zufolge geht der Lernerfolg sogar darüber hinaus: Erfahrene Tiere machen bei der Nahrungssuche direkt einen Bogen um die von den Raupen bevorzugten Pflanzen.

Die Studie

Eine Raupe des Jakobskrautbären auf Jakobs-Greifkraut.
Eine Raupe des Jakobskrautbären auf Jakobs-Greiskraut (Foto: Quartl via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0, zugeschnitten)

Die Forschenden Callum McLellan, Nicholas Scott-Samuel und Innes Cuthill verteilten im Frühsommer, im Spätsommer und im Herbst Raupenattrappen in verschiedenen Gebieten um Bristol. Dabei handelte es sich um Hüllen aus wasserfestem Papier, in denen sich jeweils ein toter Mehlwurm befand. Die Papierhüllen unterschieden sich in ihrer Färbung: Manche waren orangegelb-schwarz gestreift wie die Raupen des Jakobskrautbären, andere waren einfarbig olivbraun.

Mithilfe von Nadeln brachten die Forschenden die Attrappen sowohl auf Greiskraut- als auch auf Brombeerpflanzen (Rubus fruticosus) an. In den folgenden zwei Tagen überprüften sie regelmäßig, welche der Mehlwürmer mindestens zur Hälfte aus ihrer Hülle verschwunden waren. Dabei gingen sie davon aus, dass diese von einem der in den Gebieten häufigen Singvögel gefressen wurden.

Das Ergebnis

Der Jakobskrautbär ist auch als Falter kontrastreich gefärbt.
Der Jakobskrautbär ist auch als Falter kontrastreich gefärbt (Foto: Babs Müller via Pixabay, zugeschnitten)

Es zeigte sich: Im Frühsommer unterschied sich die Zahl der verschwundenen Raupenattrappen nicht zwischen beiden Pflanzenarten. Gleichzeitig wurden wesentlich mehr Mehlwürmer aus den gestreiften Hüllen gefressen als aus den einfarbigen. Wie lässt sich das erklären? Im Frühsommer sind viele Jungvögel unterwegs, die noch nicht die Erfahrung gemacht haben, dass orangegelb-schwarz gestreifte Raupen ungenießbar sind. Die kontrastreichen Attrappen sind für sie wahrscheinlich leichter zu entdecken – was vermutlich dazu führte, dass sie diese sogar häufiger leerten.

Ganz anders sah es im Spätsommer und Herbst aus: Zu dieser Zeit fielen die gestreiften Attrappen den Vögeln erheblich seltener zum Opfer als die einfarbigen. Darüber hinaus verschwanden nun auf Greiskrautpflanzen insgesamt deutlich weniger Mehlwürmer als auf Brombeerpflanzen. Das lässt darauf schließen, dass die Tiere in der Zwischenzeit offenbar dazugelernt hatten: Als Folge unangenehmer Erfahrungen mit echten Raupen mieden sie nun anscheinend solche mit der charakteristischen orangegelb-schwarzen Färbung – und sogar die Pflanzen, auf denen diese meist zu finden sind.

Fazit

Die Studie enthüllt, wie weitreichend die Warnfärbung der Raupen des Jakobskrautbären wirkt: Erfahrene Vögel halten sich nicht nur von den Tieren selbst fern, sondern auch von den Pflanzen, auf denen sie hauptsächlich vorkommen. Da auf den Greiskräutern aufgrund ihrer Giftigkeit kaum genießbare Insektenlarven zu finden sind, dürfte sich das für die Vögel auszahlen – so haben sie mehr Zeit, dort nach Beute Ausschau zu halten, wo ihre Erfolgschancen höher sind.


Zur Fach-Publikation:
McLellan, C. F.; Scott-Samuel, N. E. & Cuthill, I. C. (2021): Birds learn to avoid aposematic prey by using the appearande of host plants. Current Biology 31.

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