Weibliche Weißnackenkolibris sind für gewöhnlich grün-grau gefärbt. Manche tragen jedoch ein blau-weißes Federkleid – wie ihre männlichen Artgenossen. Einer aktuellen Studie zufolge werden sie dadurch beim Nektarsammeln seltener von der Kolibrikonkurrenz attackiert.
Im ersten Sonnenlicht begibt sich ein männlicher Weißnackenkolibri (Florisuga mellivora) auf Nahrungssuche. Sein Kopf und seine Brust schillern in tiefem Blau, sein Bauch leuchtet strahlend weiß. An einer besonders begehrten Nektarquelle entdeckt er einen Artgenossen. Der grün-grauen Färbung zufolge handelt es sich um ein Weibchen – da ist nicht mit großer Gegenwehr zu rechnen. Umgehend setzt das Männchen zur Attacke an und schlägt die Konkurrentin in die Flucht.
Für weibliche Weißnackenkolibris sind solche Begegnungen äußerst lästig. Sie müssen sich eine neue Nahrungsquelle suchen und hoffen, dass sie dort nicht erneut vertrieben werden. Deshalb setzen manche von ihnen einer aktuellen Studie zufolge auf eine geschickte „Tarnung“: Sie sind gefärbt wie Männchen. So sind sie weniger Angriffen ausgesetzt – und haben mehr Ruhe, um ihre süße Nahrung zu sammeln.
Jedes fünfte Weibchen ist Männchen-typisch blau-weiß gefärbt
In einem Untersuchungsgebiet in Panama fingen die Forscher Jay Falk, Michael Webster und Dustin Rubenstein zunächst vierhundert Weißnackenkolibris ein und bestimmten per Genanalyse ihr Geschlecht. Dabei stellten sie fest: Rund 20 Prozent der erwachsenen Weibchen besaßen nicht die typische grün-graue Färbung, sondern waren blau-weiß wie die Männchen.
Blau-weiße Weibchen werden seltener angegriffen
In einem Experiment überprüften die Forschenden daraufhin, wie sich die Färbung der Vögel auf das Verhalten ihrer Artgenossen auswirkt. Dazu montierten sie jeweils zwei ausgestopfte Weißnackenkolibris an Futterstellen mit Zuckerlösung, wobei verschiedene Kombinationen aus Gefiederfärbung und Geschlecht zum Einsatz kamen.
Das Ergebnis: Während ihres Besuchs an der Futterstelle attackierten Kolibris verschiedener Arten grün-grau gefärbte Vogelmodelle wesentlich häufiger als blau-weiß gefärbte – unabhängig davon, ob es sich bei letzteren um weibliche oder männliche Attrappen handelte.
Blau-weiße Weibchen sammeln Nahrung in Ruhe
In einem nächsten Schritt versahen die Forschenden mehrere weibliche Weißnackenkolibris mit RFID-Transpondern. So konnten sie verfolgten, wie viel Zeit die Tiere an Futterstellen verbrachten, die mit Lesegeräten ausgestatteten waren. Es zeigte sich: Blau-weiße Weibchen besuchten die bereitgestellten Nahrungsquellen nicht nur häufiger, sondern verweilten dort im Schnitt auch länger als grün-graue.
Fazit
Die Ergebnisse der Versuche lassen darauf schließen, dass eine blau-weiße Färbung weiblichen Weißnackenkolibris bei der Nahrungssuche Vorteile verschafft. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass Konkurrenten sie nicht unmittelbar als weniger wehrhafte Weibchen erkennen können – und daher vor Angriffen eher zurückschrecken. Darüber hinaus halten die Wissenschaftler es für möglich, dass die Färbung die Weibchen auch vor unerwünschten Annäherungsversuchen paarungswilliger Männchen schützt. Denn bei ihrem Experiment mit den ausgestopften Vögeln machten diese ihre ersten Avancen stets den grün-grauen Modellen.
Festzuhalten ist aber auch: Trotz der Vorzüge der Männchen-typischen Tracht sind vier von fünf Kolibriweibchen grün-grau gefärbt. Die Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass es auch eine Kehrseite der Medaille gibt. So könnte es sein, dass eine geringere Beliebtheit der blau-weißen Weibchen bei den Männchen für die Partnerwahl von Nachteil ist – oder dass sie durch ihr farbenprächtiges Federkleid während des Brütens leichter für Feinde zu entdecken sind.
Zur Fach-Publikation:
Falk, J. J.; Webster, M. S. & Rubenstein, D. R. (2021): Male-like ornamentation in female hummingbirds results from social harassment rather than sexual selection. Current Biology 31.
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