Bei Weißbüschelaffen helfen üblicherweise alle Familienmitglieder bei der Jungtieraufzucht. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Tiere sogar fremden Nachwuchs aus einer Zwangslage befreien – allerdings nur, wenn sie gerade selbst Jungtiere haben.
Weißbüschelaffen (Callithrix jacchus) sind in Brasilien beheimatet und leben in kleinen Familiengruppen. Diese bestehen meist aus einem Elternpaar und dessen Nachkommen. Üblicherweise helfen alle Gruppenmitglieder bei der Aufzucht der Jungtiere. Beispielsweise tragen sowohl beide Elternteile als auch ältere Geschwister den Nachwuchs während der ersten beiden Lebensmonate. Und auch darüber hinaus sind sie untereinander außergewöhnlich hilfsbereit.
Mithilfe eines neuartigen Verhaltenstests demonstrierte ein Team um die Wissenschaftler Junfeng Huang und Neng Gong in einer aktuellen Studie, dass Weißbüschelaffen sogar fremde Jungtiere aus einer Zwangslage befreien – allerdings nur, wenn sie gerade selbst Junge haben.
Der Rettungsversuch
Für ihre Untersuchungen baute das Forschungsteam ein gefülltes Wasserbecken direkt an das Heimatgehege der Tiere. Darin befand sich oberhalb der Wasseroberfläche eine Plattform, auf der zwei transparente Kunststoffkäfige angebracht waren, die sich per Hebel öffnen ließen. Dies ermöglichte den Affen, aus ihrem Heimatgehege auf die Plattform springen, um dort eingesperrte Artgenossen zu befreien.
Zunächst erkundeten die Tiere die Testapparatur und lernten dabei, die kleinen Käfige zu öffnen. Danach setzten die Forscher*innen jeweils ein Tier in einen der Käfige, während sie den gegenüberliegenden mit einem Ball bestückten. Auf diese Weise kontrollierten sie, ob die Tiere tatsächlich gezielt ihre Artgenossen befreien oder Käfige planlos öffnen würden. Nachdem die Wissenschaftler*innen die Abtrennung zum Testbereich entfernten, hatten die Affen aus dem Heimatgehege 15 Minuten Zeit, den eingesperrten Artgenossen zu befreien.
Junger Nachwuchs wird gerettet
Die Wissenschaftler*innen prüften zunächst, ob Weißbüschelaffeneltern den Sprung über das Wasser wagen würden, um ihren Nachwuchs zu befreien. Dazu setzen sie jeweils eines ihrer Jungtiere in den Testkäfig, das jünger als einen Monat war. Wie erwartet sprangen die Eltern schnell auf die Plattform, um ihre Nachkommen zu retten: Während sie den Käfig mit dem Ball niemals öffneten, befreiten sie das Jungtier in 92 Prozent der Durchgänge.
Um zu überprüfen, ob die Rettungsbereitschaft vom Alter der Nachkommen abhängt, untersuchten die Forscher*innen zusätzlich die Reaktion von Elternpaaren, die sowohl Jungtiere unter zwei Monaten als auch ältere Nachkommen hatten. Das eindeutige Ergebnis: Den jungen Nachwuchs befreiten die Eltern ausnahmslos – den älteren dagegen kein einziges Mal!
Familiäre Verhältnisse sind ausschlaggebend
Interessanterweise retteten die Elternpaare nicht nur ihre eigenen Nachkommen: Fremde Jungtiere, die jünger als zwei Monate waren, befreiten sie in 80 Prozent der Fälle aus ihrer „Notlage“. Allerdings hing die Hilfsbereitschaft gegenüber fremden Jungtieren entscheidend davon ab, ob die Tiere gerade selbst Nachwuchs im entsprechenden Alter hatten: Elternpaare, deren eigener Nachwuchs bereits älter war, machten keinerlei Anstalten, ein fremdes Jungtier zu befreien.
Fazit
Die Ergebnisse sind ein weiterer Beleg für die beeindruckende Hilfsbereitschaft der Weißbüschelaffen. Erreichen Jungtiere allerdings mit etwa zwei Monaten das Jugendalter, können sie sich anscheinend nur noch bedingt auf die Fürsorge erwachsener Tiere zählen. Die Autor*innen der Studie erklären dies damit, dass die motorischen Fähigkeiten der Tiere dann bereits größtenteils ausgereift sind. Deshalb sind sie unter natürlichen Bedingungen wesentlich weniger auf die Unterstützung der Eltern angewiesen.
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