Wölfe nutzen „Sehschwäche“ von Bibern aus

In Nordamerika lauern Wölfe auf Biber, um sie aus kurzer Distanz zu überwältigen. Eine aktuelle Studie zeigt: Bei der Wahl ihres Hinterhalts berücksichtigen die Raubtiere sogar, dass die Nager zwar gut riechen können, aber nicht sehr gut sehen.

von Tobias Zimmermann

Wölfe sind geschickte Lauerjäger
Wölfe sind auch beim Auflauern sehr geschickt (Foto: Christels via Pixabay)

Wölfe (Canis lupus) leben üblicherweise in Rudeln, die aus einem Elternpaar und dessen Nachkommen bestehen. Bei der Nahrungsbeschaffung setzen sie meist auf ausdauernde Hetzjagden, bei denen sie ihre Beute gemeinsam über längere Strecken verfolgen, bevor sie zuschlagen. Es kommt allerdings auch vor, dass einzelne Wölfe auf Beutetieren lauern, um sie aus kurzer Distanz zu überwältigen. Einer aktuellen Studie zufolge gehen sie dabei äußerst clever vor – denn sie berücksichtigen bei der Wahl ihrer Lauerposition, welche Sinne die Beutetiere nutzen, um Raubfeinde aufzuspüren.

Die Studie

In manchen Gebieten Nordamerikas können Biber (Castor canadensis) einen erheblichen Anteil der Beute von Wölfen ausmachen. Die Nagetiere verbringen ihr Leben größtenteils in Gewässern und kommen für gewöhnlich nur an Land, um Futter und Baumaterial zu beschaffen oder ihr Revier zu markieren. Dabei nutzen sie immer wieder die gleichen Pfade in die umliegende Vegetation (sogenannte „feeding trails“) – wo sie gefundenes Fressen für lauernde Wölfe sind.

Ein Team um die Wissenschaftler Thomas Gable und Joseph Bump untersuchte das Jagdverhalten der Wölfe im Greater Voyageurs Ökosystem im Norden der USA – und das, ohne die Tiere direkt zu beobachten. Dazu fingen die Forschenden zunächst einige Wölfe ein und versahen sie mit einem GPS-Halsband, das ihnen alle 20 Minuten den Standort des jeweiligen Tiers verriet. Mithilfe dieser Daten ermittelten sie Orte, an denen ein Wolf in der Nähe von frischen Biberspuren (z. B. Fraßspuren) gelauert hatte. Diese Stellen suchten sie anschließend auf, um die genaue Lauerposition der Wölfe anhand von Fell- und Liegespuren zu vermessen. Außerdem nutzen sie die Daten nahegelegener Wetterstationen, um die Windrichtung während der jeweiligen Jagdversuche zu bestimmen.

Biber stehen auf der Speisekarte nordamerikanischer Wölfe (Foto: GlacierNPS via Flickr)

Die Ergebnisse

Das Forschungsteam dokumentierte in etwa 5 Jahren insgesamt 748 Auflauerversuche von 28 verschiedenen Wölfen. Erstaunlicherweise warteten die Wölfe dabei im Schnitt nur 2,5 Meter von frischen Biberspuren entfernt. Wie lässt sich dieser geringe Abstand erklären? Biber haben ein schlechtes Sehvermögen und selbst aus nächster Nähe große Schwierigkeiten, regungslose Raubfeinde zu erspähen. Diese Schwäche schienen die Wölfe gezielt auszunutzen.

Zwar steigt durch die Nähe auch die Gefahr, dass die Biber sie mit ihren feinen Nasen wahrnehmen.  Aber auch dagegen wappnen sich die Wölfe offenbar: Bei 89 Prozent ihrer Auflauerversuche positionierten sie sich so, dass der Wind ihren Geruch nicht in die Richtung ihrer potenziellen Beute wehte.

Fazit

Die Ergebnisse zeigen, dass Wölfe nicht nur erfolgreiche Hetzjäger, sondern auch gewiefte Lauerjäger sind. Bisher ist nicht bekannt, ob dieses strategische Geschick bei der Biberjagd angeboren ist, oder ob die Tiere es im Verlauf ihres Lebens erlernen – doch das lässt sich möglicherweise durch weitere Studien aufklären.


Zur Fach-Publikation:
Gable, T. D.; Homkes, A. T.; Johnson-Bice, S. M.; Windels, S. K. & Bump, J. K. (2021): Wolves choose ambushing locations to counter and capitalize on the sensory abilities of their prey. Behavioural Ecology araa147.

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