Krach hat Konsequenzen: Seehunde werden übertönt und Meisen können sich schlechter konzentrieren

Verkehrslärm belastet nicht nur uns Menschen, sondern beeinträchtigt auch das Leben vieler Wildtiere. Das gilt unter Wasser ebenso wie an Land, wie zwei aktuelle Studien zeigen: Lärm erschwert die Kommunikation von Seehunden und stört Kohlmeisen bei der Futtersuche.

von Niklas Kästner

Leben mit Lärm
Lärm gehört für viele Menschen und Tiere zum Leben dazu (Foto: Noutch via Pixabay)

Lärm kann krank machen: Die möglichen Folgen einer hohen Geräuschbelastung für die menschliche Gesundheit sind weithin bekannt. Erst seit Kurzem rückt stärker in den Fokus, dass menschengemachter Krach auch das Leben von Wildtieren beeinflusst. Aktuelle Belege dafür erbringen zwei Studien: Eine befasste sich mit den Auswirkungen von Bootslärm auf die Kommunikation zwischen Seehunden. Die andere untersuchte, ob ein hoher Geräuschpegel Kohlmeisen bei der Futtersuche beeinträchtigt.

Bootslärm übertönt Seehunde

Die Kommunikation wird durch Krach erheblich erschwert. Das wissen alle, die schon einmal versucht haben, sich bei lauter Musik zu unterhalten. Diesem Problem sind auch Tiere ausgesetzt, die sich mit akustischen Signalen verständigen. Manche Arten reagieren auf Lärm wie wir: Sie werden selbst lauter. Eine Studie an Nachtigallen in Berlin zeigte zum Beispiel, dass die Lautstärke ihres Gesangs mit dem Geräuschpegel in ihrem Territorium ansteigt.

Wie Nachtigallen nutzen auch männliche Seehunde (Phoca vitulina) ihre Stimme, um ihre Territorien zu markieren. Sie geben dazu unter Wasser tiefe Rufe ab. Diese scheinen gleichzeitig auch der Kommunikation mit den Weibchen zu dienen. Unglücklicherweise haben die Rufe in etwa genau die Frequenz der Geräusche, die vom Schiffsverkehr verursacht werden. Ein Team um die Forscherinnen Leanna Matthews und Susan Parks untersuchte vor diesem Hintergrund, ob die Seehunde ihre Lautstärke dem gerade vorherrschenden Lärmpegel anpassen. Dazu nahmen sie 545 Rufe von vier territorialen Seehund-Männchen im Glacier Bay Nationalpark in Alaska auf. Vor jedem Ruf bestimmten sie die Stärke des Bootslärms, der dort vor allem von Fischerbooten, privaten Motorbooten und Kreuzfahrschiffen verursacht wird. 

Das Ergebnis: Die Rufe der Seehunde wurden tatsächlich mit zunehmendem Geräuschpegel im Wasser lauter. Diese Steigerung war aber so minimal, dass sie bei weitem nicht ausreichte, um den Bootslärm zu übertönen. Das wäre allerdings nötig, damit andere Seehunde die Rufe hören können. Es ist also anzunehmen, dass die Kommunikation der Tiere bei starkem Schiffsverkehr massiv beeinträchtigt wird.

Warum rufen die Seehunde nicht noch lauter? Das Team um Matthews und Parks vermutet, dass sie auch ohne Lärm bereits alles geben – und dass deswegen eine weitere Steigerung nicht möglich ist.

Krach beeinträchtigt Kohlmeisen bei der Futtersuche

Nicht nur die Kommunikation, auch die Konzentration kann durch Lärm leiden. Ob das bei Kohlmeisen (Parus major) zutrifft, untersuchten die Forscher Wouter Halfwerk und Kees van Oers in einem Experiment. Dazu ließen sie in Menschenhand aufgewachsene Vögel einzeln in einen Raum nach Futter suchen. An einer Wand hingen große Fotos von Eichenstämmen. Daran hatten sie Dreiecke aus Papier in Form und Größe von Nachtfaltern angebracht, die auf der verdeckten Seite mit einer Futterbelohnung bestückt waren. Entdeckte die Meise den Papierfalter, konnte sie die Belohnung verspeisen. Während manche der Dreiecke einfarbig schwarz oder weiß und damit gut zu erkennen waren, trugen andere ein Borkenmuster und waren auf den Eichenstamm-Fotos getarnt.

Jede Meise wurde wiederholt in den Raum gelassen. Bei der Hälfte der Durchläufe spielten die Forscher Lärm ab, der in etwa dem Geräuschpegel 100 Meter entfernt von einer stark befahrenen Autobahn entsprach. Damit die Vögel sich davor nicht erschraken, wurden die Geräusche an jedem Versuchstag bereits für eine Stunde in ihrem Haltungsraum abgespielt.

In verschiedenen Durchläufen des Experiments machten die Wissenschaftler folgende Beobachtungen: Wenn im Raum Lärm herrschte, brauchten die Vögel länger, um sich der Beute anzunähern und nach ihr zu picken, als wenn es ruhig war. Während dieser Unterschied bei den einfarbigen Papierfaltern im Laufe des Experiments verschwand, blieb er bei den gemusterten Faltern bestehen. Der Krach schien die Vögel also besonders zu beeinträchtigen, wenn es darum ging, gut getarnte Beute zu entdecken.

Fazit

Die beiden Studien zeigen, wie der Verkehrslärm, den wir verursachen, Wildtiere beeinflussen kann. Er erschwert ihre Kommunikation und stört sie bei der Futtersuche. Eine Reduktion dieses Lärms käme nicht nur unserer Gesundheit zugute, sondern auch ihnen. Es ist daher anzunehmen, dass auch in dieser Hinsicht die Tierwelt von der momentan stark eingeschränkten Mobilität im Zuge der Corona-Pandemie profitiert. Denn weniger Verkehr bedeutet weniger Krach.


Zu den Fach-Publikationen:
Matthews, L.P.; Fournet, M. E. H.; Gabriele, C., Klinck, H. & Parks, S. E. (2020): Acoustically advertising male harbour seals in southeast Alaska do not make biologically relevant acoustic adjustments in the presence of vessel noise. Biology Letters 16: 20190795.

Halfwerk, W. & van Oers, K. (2020): Anthropogenic noise impairs foraging for cryptic prey via cross-sensory interference. Proceedings of the Royal Society B 287: 20192951.

Weitere Literatur:
Brumm, H. (2004): The impact of environmental noise on song amplitude in a territorial bird. Journal of Animal Ecology 73: 434-440.

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