Eine aktuelle Studie zeigt: Weibliche Nilflughunde tragen ihren Nachwuchs immer wieder aus dem Tagesquartier zu bestimmten Bäumen. Die Jungtiere steuern diese später bei ihren ersten eigenständigen Ausflügen an – und erkunden von dort aus die Umgebung.
Nilflughunde (Rousettus aegyptiacus) besitzen ein erstaunliches Orientierungsvermögen. Sie navigieren bei der nächtlichen Nahrungssuche zielsicher zwischen ihrem Tagesquartier und oftmals weit verstreuten Bäumen, von deren Früchten sie sich ernähren. Junge Flughunde müssen die dafür notwendige Ortskenntnis allerdings erst erwerben. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie legen nahe, dass ihre Mütter ihnen dabei behilflich sind – indem sie den Nachwuchs wiederholt auf bestimmten Bäumen absetzen.
Den Nachwuchs im Gepäck
Wenn Nilflughund-Mütter ihr Tagesquartier verlassen, tragen sie ihre Jungen für gewöhnlich mit sich. Um mehr darüber zu erfahren, was während dieser gemeinsamen Ausflüge geschieht, versahen die Forschenden Aya Goldshtein, Lee Harten und Yossi Yovel mehrere wildlebende Flughundweibchen und ihr jeweiliges Jungtier mit Sendern – sodass sie die Bewegungen der Tiere kontinuierlich verfolgen konnten. Darüber hinaus beobachteten sie einige Mutter-Kind-Paare direkt.
Einblicke in die Mutter-Kind-Ausflüge
Wie bereits aus früheren Studien bekannt, blieben die jungen Flughunde bis zu drei Wochen nach ihrer Geburt in ständigem Körperkontakt zu ihren Müttern, sowohl innerhalb ihres Tagesquartiers als auch außerhalb. Allerdings änderte sich das in den darauffolgenden Wochen: Nun trugen die Weibchen ihre Jungen zwar noch aus der zum Schlafen genutzten Höhle hinaus, setzten sie aber in einigen Kilometern Entfernung auf bestimmten Bäumen ab. Sie selbst begaben sich dann meist in der Nähe auf die Nahrungssuche und sammelten den Nachwuchs erst auf dem Rückflug zum Quartier wieder ein – wobei sie zwischendurch immer wieder bei ihm vorbeischauten.
Die ersten eigenständigen Ausflüge
Ab einem Alter von etwa 8-10 Wochen machten die Mütter sich am Abend für gewöhnlich ohne ihre Jungtiere auf den Weg. Diese waren inzwischen flugfähig und begannen mit ersten selbständigen Ausflügen. Dabei schienen die jungen Flughunde allerdings keineswegs wahllos vorzugehen. Vielmehr steuerten sie genau die Bäume an, auf denen ihre Mütter sie zuvor mehrfach abgesetzt hatten. Von diesen Punkten aus erkundeten sie dann nach und nach ihre Umgebung.
Interessanterweise besuchten die Mütter zu Beginn dieser Phase häufig auch nachts das Tagesquartier – ein Verhalten, das sie zuvor nicht zeigten. Dabei kam es vor, dass sie ihr Jungtier einsammelten, wenn es sich noch dort befand, und es wieder auf einem Baum absetzten.
Fazit
Warum tragen weibliche Nilflughunde ihr heranwachsendes Junges teils kilometerweit, um es auf einem Baum abzusetzen – anstatt es gleich im Tagesquartier zurückzulassen? Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass die Mütter ihren Jungtieren dadurch Starthilfe bei der Orientierung geben: Sie zeigen ihnen den Weg zu bestimmen Bäumen, die diese anscheinend später als Ankerpunkte für die eigenständige Erkundung der Umgebung nutzen.
Dabei gebührt auch der Leistung des Nachwuchses Beachtung. Denn die kleinen Flughunde prägen sich den Weg zu den Bäumen offenbar ein, ohne ihn selbst je geflogen zu sein – und das während sie kopfüber unter ihren Müttern hängen.
Zur Fach-Publikation:
Goldshtein, A.; Harten, L & Yovel, Y. (2021): Mother bats facilitate pup navigation learning. Current Biology 32.
Wir freuen uns über Anmerkungen, Fragen oder Feedback im Kommentarbereich! Allerdings behalten wir uns vor, Kommentare zu löschen, die unserer Meinung nach rechtswidrig oder aus anderen Gründen unangemessen sind. Bitte beachten Sie auch die Hinweise zur Kommentarfunktion in unserer Datenschutzerklärung.