Viele Vögel lernen ihre Lieder früh im Leben von erwachsenen Artgenossen. Eine aktuelle Studie an Zebrafinken zeigt: Verkehrslärm kann sich während dieser wichtigen Phase negativ auf den Lernerfolg auswirken – vermutlich indem er bei den Tieren für Stress sorgt.
Unzählige junge Vögel sind in unseren Städten lauten Umgebungsgeräuschen ausgesetzt, wenn sie ihre Gesänge erlernen. Wie sich der anhaltende Verkehrslärm auf den Lernfortschritt der Tiere auswirkt, untersuchte ein Forschungsteam in einer aktuellen Studie an Zebrafinken (Taeniopygia guttata). Das Ergebnis: Die Vögel lernten ihre Gesänge langsamer – und bauten mehr Fehler ein.
Krach und Lernerfolg
Männliche Zebrafinken lernen ihre Lieder üblicherweise in den ersten Lebensmonaten, indem sie die Strophen erwachsener Vorbilder nachsingen. Ein Forschungsteam um Henrik Brumm und Sue Ann Hollinger hielt 36 junge Männchen während dieser Phase unter zwei verschiedenen Bedingungen: Bei der Hälfte erklangen vom 18. bis zum 120. Tag nach dem Schlüpfen Geräusche, die die Forschenden zuvor an viel befahrenen Straßen in München aufgenommen hatte. Bei der anderen Hälfte blieb es vergleichsweise still. Zusätzlich spielten die Wissenschaftler*innen allen Vögeln mehrmals täglich die Gesänge eines erwachsenen Männchens vor und ermittelten regelmäßig ihren Lernfortschritt.
Die Umgebungsgeräusche hatten erheblichen Einfluss auf das Gesangslernen der Vögel: Die Männchen, die in ruhigen Verhältnissen aufwuchsen, beherrschten ihre Lieder bereits mit 90 Tagen. Ihre Artgenossen, die mit Verkehrslärm aufwuchsen, brauchten dazu 30 Tage länger – und ihre Lieder wichen letztlich stärker von denen ihrer Vorbilder ab.
Krach und Stress
Als die Vögel 75 Tage alt waren, testete das Team außerdem mit einem etablierten Verfahren, wie stark ihr Körper auf eine simulierte Infektion reagierte. Dieses Maß erlaubt Rückschlüsse darauf, wie sehr der Lärm die Finken belastete – denn chronischer Stress hemmt das Immunsystem.
Das Ergebnis: Die Vögel aus der lauten Umgebung zeigten eine deutlich geringere Immunreaktion als die aus der leisen. Das legt nahe, dass der Lärm bei den Vögeln für Stress sorgte.
Fazit
Die Studie zeigt, dass Verkehrslärm das Gesangslernen junger Vögel erheblich beeinträchtigen kann. Die Wissenschaftler*innen glauben allerdings nicht, dass der geringere Lernerfolg der Zebrafinken damit zusammenhing, dass sie ihre Vorbilder schlechter hörten – dazu waren die Verkehrsgeräusche nicht laut genug. Vielmehr vermuten sie, dass der anscheinend durch den Krach verursachte Stress die Vögel langsamer lernen ließ. Dazu passt auch eine Korrelation, die das Team entdeckte: Je schwächer die Immunantwort eines Vogels ausfiel, desto geringer war auch sein Lernerfolg.
Zur Fach-Publikation:
Brumm, H.; Goymann, W.; Derégnaucourt, S.; Geberzahn, N. & Zollinger, S. A. (2021): Traffic noise disrupts vocal development and suppresses immune function. Science Advances 7: eabe2405.
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