Eine aktuelle Studie zeigt eindrucksvoll, welche weitreichenden Auswirkungen invasive Spezies auf Ökosysteme haben können: In der kenianischen Savanne verdrängt die Dickkopfameise heimische Ameisenarten – was eine Kettenreaktion auslöst, die letztlich auch die Jagd von Löwen beeinflusst.
In großen Teilen der ostafrikanischen Savanne ist die Flötenakazie (Vachellia drepanolobium) die vorherrschende Baumart. Sie lebt für gewöhnlich in einer Symbiose mit Knotenameisen der Gattung Crematogaster: Die Bäume bieten den Ameisen Schutz und Nektar als Nahrung – und die Insekten revanchieren sich, indem sie mit ihren Bissen Pflanzenfresser fernhalten. Dazu zählen insbesondere Elefanten (Loxodonta africana), die den Akazien gefährlich werden können, indem sie diese abbrechen oder umstoßen.
Doch in Laikipia in Kenia wird das Zusammenspiel aus Ameisen und Akazien zunehmend gestört: Seit zwei Jahrzehnten breitet sich dort die von Menschen eingeschleppte Dickkopfameise (Pheidole megacephala) aus, welche die heimischen Crematogaster-Ameisen tötet und sich von ihrem Nachwuchs ernährt. In einer aktuellen Studie haben Forschende um Douglas Kamaru und Jacob Goheen die Folgen dieses Prozesses untersucht.
Wo Dickkopfameisen leben, schwinden die Akazien
Zunächst ging das Team der Frage nach, wie sich das Verschwinden der heimischen Ameisen durch die eingeschleppten Dickkopfameisen auf die Flötenakazien auswirkt. Dazu führten die Forschenden ein großangelegtes Experiment durch: Sie umzäunten mehrere 2.500 Quadratmeter große Bereiche der Savanne, in denen bis dahin keine Dickkopfameisen lebten, so dass diese vor großen Säugetieren geschützt waren. Dieselbe Anzahl an vergleichbaren Bereichen beließen sie hingegen ohne Zaun.
Nach drei Jahren stellten die Forschenden fest: In Bereichen, in denen sich in der Zwischenzeit Dickkopfameisen angesiedelt hatten, war der Baumbestand deutlich geringer als in Bereichen ohne Dickkopfameisen – allerdings nur dort, wo Elefanten und Co ungehinderten Zugang hatten. In den umzäunten Bereichen hatten die Dickkopfameisen keinen Einfluss auf den Akazienbewuchs. Das lässt darauf schließen, dass der Verlust der wehrhaften Crematogaster-Ameisen dazu führt, dass Flötenakazien verstärkt Pflanzenfressern zum Opfer fallen.
Wo die Akazien schwinden, erbeuten Löwen weniger Zebras
Die Ausbreitung der Dickkopfameise verändert die Savanne also merklich – und die Forschenden vermuteten, dass dies Folgen für die im Untersuchungsgebiet lebenden Löwen (Panthera leo) haben könnte. Denn ein geringerer Baumbewuchs bedeutet, dass diese sich schlechter an ihre hauptsächliche Beute, das Steppenzebra (Equus quagga), anpirschen können. Und in der Tat zeigte sich: In Gebieten, in denen Dickkopfameisen lebten, erlegten Löwen deutlich weniger Zebras als in Gebieten ohne Dickkopfameisen. Komplexe statistische Analysen legten nahe, dass dies wie vermutet auf die verbesserte Sicht für die Zebras zurückzuführen ist.
Bedeutet dies, dass die Löwen nun häufiger leer ausgehen? Das scheint nicht der Fall zu sein, vielmehr scheinen die Raubkatzen im Untersuchungsgebiet vermehrt auch auf andere Beutetiere zu setzen: In den zwei Jahrzehnten seit dem Eintreffen der Dickkopfameisen ist der Anteil von Zebras an den von ihnen erlegten Tieren von 67 % auf 42 % gesunken – und der von Afrikanischen Büffeln (Syncerus caffer) von 0 % auf 42 % gestiegen.
Fazit
Beim Gedanken an die afrikanische Savanne kommen den meisten Menschen vermutlich nicht als Erstes Ameisen in den Sinn. Doch die Ergebnisse der Studie belegen, wie sehr die kleinen Insekten das dortige Leben beeinflussen: Heimische Crematogaster-Ameisen schützen Flötenakazien vor Elefanten und anderen Pflanzenfressern. So bewahren sie den Baumbestand, der es wiederum den Löwen erleichtert, sich an Zebras anzupirschen. Verschwinden die Crematogaster-Ameisen durch die Ausbreitung der eingeschleppten Dickkopfameise, hat das entsprechend weitreichende Auswirkungen: Der Baumbestand geht zurück und die Löwen erbeuten weniger Zebras – dafür aber offenbar mehr Büffel. Damit führt die Studie eindrucksvoll vor Augen, wie stark die verschiedenen Lebewesen eines Ökosystems miteinander verbunden sind – und welche komplexen Folgen der Verlust einzelner Arten in diesem Gefüge haben kann.
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